Das Picknick
In der amerikanischen Serie „Mad Men“ gibt es eine Szene, in der die Familie ein Picknick im Grünen macht, alles haben sie dabei: Kühltasche, Thermoskanne, Bier, eine rot-weiß karierte Decke und sehr viel in Plastik verpacktes Essen. Als sie ihr Picknick beenden, wirft Don Draper in hohem Bogen eine leere Bierdose ins Gras, man zuckt und denkt, oh no! Dabei folgt die eigentliche Pointe erst: Als die Familie alle Sachen zusammengesammelt und unter die Arme geklemmt hat, hebt Betty Draper die rot-weiß karierte Decke an, schüttelt das gesamte leere Plastik ins Gras aus – und schlendert lässig in Richtung Cadillac. Es sind die 60er Jahre. Natürlich wird in der Serie auch ständig geraucht.
Inzwischen hat sich viel geändert, geraucht wird weder in Serien noch sonst wo und es gibt ein Bewusstsein für die Umwelt – auch wenn wir das 1,5-Grad-Ziel nie erreichen werden, kippt zumindest niemand mehr seinen Müll von der Picknickdecke in die Landschaft.
Vor allem in Frankreich nicht. In Frankreich lässt sich – an Sonn- und Feiertagen allemal – beobachten, dass das Picknick nicht nur nicht aus der Mode gekommen ist, sondern auf eine Weise zelebriert wird, die alles beinhaltet, aber keinen Müll.
Bei Wind und Wetter sieht man Menschen Richtung Strand, Wald oder zu einem dafür vorgesehenen Picknickplatz samt Holztisch und -bänken ziehen, in kleinen oder sehr großen Gruppen und bepackt wie echte Nomaden. Alle, auch die Jüngsten, schleppen Körbe, Taschen, Schüsseln, Decken, Eimer, Sonnenschirme, und kaum haben sie ihren Platz gefunden, wird alles ausgepackt und festlich arrangiert. Dann wird stundenlang gegessen. Und getrunken. Geredet (viel geredet). Gespielt. Gebadet. Und weiter gegessen. Weiter getrunken. Irgendwann wird wieder eingepackt. Und das ist vielleicht das größte Wunder: Keine einzige leere Flasche bleibt zurück, nicht einmal das kleinste Krümelchen Baguette.
Das Picknick – das Wort tauchte in Frankreich erstmals im 17. Jahrhundert auf und leitet sich vermutlich ab von „piquer“ = (auf-)picken und „nique“ = eine Kleinigkeit – hat hier einen hohen soziokulturellen Stellenwert, und anscheinend lernen schon die Allerkleinsten, dass nicht nur dazugehört, alles liebevoll vorzubereiten und einzudecken, sondern anschließend auch wieder aufzuräumen. Ich liebe Frankreich!
Ach und England, England natürlich auch. Zwar kann ich nicht bezeugen, dass auf der Insel beim Aufräumen dieselbe Sorgfalt an den Tag gelegt wird, aber dank einer ebenfalls ausgeprägten Picknick-Tradition (die viktorianische Oberschicht verband das Essen im Freien gern mit Pferderennen oder gediegenen Ausflügen aufs Land) gibt es hier die mit Abstand allerschönsten Picknickkoffer, die so genannten „hamper“.
Allerdings geht es mir mit dem Picknick ein bisschen wie mit Segeln, Zelten, Rosenzüchten oder frühmorgendlichem Schwimmen im zwölf Grad kalten Atlantik: in der Theorie ganz großartig. In der Theorie segle und gärtnere ich mit ungehemmter Leidenschaft. Auch wäre ich eine gute Kandidatin dafür, mich wochenlang im Internet mit dem besten Picknickkorb oder eben „hamper“ zu beschäftigen, um anschließend den schönsten, teuersten und am besten ausgestatteten zu bestellen. Nur benutzen würde ich ihn vermutlich nie. Wind, Hitze, Kälte, Zecken, das stundenlange Vorbereiten und Geschleppe, ich weiß ja nicht. Im Café du Port lassen sich ebenfalls ganz herrlich Kleinigkeiten picken.
> F.A.S., 04.05.2025