„Wenn ich absolute Stille bräuchte, hätte ich maximal ein halbes Buch geschrieben.“
Ulrike Draesner, Schriftstellerin
Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Ich habe ein Kind, dessen Schulrhythmus auch meine Arbeitszeiten bestimmt. Ideal wäre es, am Morgen gleich anfangen zu können, ohne Büro- und Selbstverwaltungsarbeit (Social Media, Mails, Steuern, Rechnungen, Reisebuchungen, Korrekturlesen von irgendwelchen Beiträgen, Fotoanfragen, Moderator:innenfragen beantworten, Interviews). Wenn ich das so aufschreibe, merke ich, wie viel es ist – und warum es immer so lange dauert. Also: am idealen Tag: arbeiten, bis das Kind aus der Schule kommt. Zeit mit dem Kind verbringen, wieder arbeiten. Bis zum Abend, so gegen 21.00 Uhr.
Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)?
De facto, an einem guten Tag, drei bis vier.
Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Mindestens ebenso viele Stunden, i.d.R. mehr. Die Balance: Es gibt immer Dinge, die auf Termin liegen, also Vorrang haben. Die Gefahr: dass sie die Schreibarbeit ganz auffressen. Ich habe den ganzen Tag gearbeitet, bin müde – und dann ist es 20 Uhr und das Schreiben könnte endlich anfangen.
Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Wochenende: ein seltsames Konzept. Das Kind schläft länger …, ich nicht. Schön ist, dass es draußen ruhiger wird.
Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Der Orga-Kram
Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Brauche ich nicht.
Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ha, absolute Stille. Was für ein Luxus. Wenn ich die bräuchte, hätte ich maximal ein halbes Buch geschrieben.
Ich brauche das Gefühl, genügend Zeit vor mir zu haben, die „unbelegt“ ist. So etwas wie sechs Stunden Zugfahrt bei wackligem Internet sind eigentlich ideal. Einen Tisch ohne Nachbarkleinkind brauche ich aber auch.
Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Immer unterschiedlich. Am Ende kommt alle Inspiration von „außen“ (Menschen, „Natur“), aber oft mit Jahren Verzögerung.
Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Kaffee
Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Irgendwelche Hintergrundarbeiten drängeln immer herum.
Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Es fühlen. Und abwarten, bis es vergeht.
Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Nein. Ich bin doch schon belohnt.
Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Es gibt Menschen, deren Lebenswege ermunternd waren. Bei den Frauen waren sie meist aber auch traurig.
Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Menschen, die nach einer Lesung zu mir kommen. Und ich sehe das Bewegtsein, die Veränderung in ihren Augen.
Wovor hast du Angst?
Vor mir selbst.
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@draesnerulrike