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„Ich habe mir schon mal den Wecker gestellt und mir eine Zeit verordnet, in der ich nicht von der Staffelei aufstehen darf.“

Stephanie Bahrke, Porträtmalerin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Ich beginne den Tag mit meinen Morgenroutinen: Tagebuch schreiben, im Park walken und schwimmen/eisbaden, Meditation/spirituelle Übung. Danach frühstücke ich in Ruhe. Mit der Arbeit beginne ich oft erst am späten Vormittag: Dann setze ich mich an den Laptop, erledige E-Mails, recherchiere und mache dies und das. Gegen 13/14 Uhr gehe ich meistens für drei bis vier Stunden an die Staffelei und male, arbeite Aufträge ab oder an freien Arbeiten. Dann noch etwas Instagram, und gegen 18 oder 19 Uhr mache ich Feierabend. Termine mit Modellen haben aber Vorrang und finden auch vormittags, abends oder am Wochenende statt.
Idealerweise schaffe ich es, früher anzufangen. Idealerweise setze ich mich erst an die Staffelei und dann an den Laptop. Idealerweise bin ich so inspiriert und im Flow, dass ich bis in die Abendstunden schaffe und kaum spüre, wie die Zeit vergeht. Idealerweise sitze ich gleich nach dem Aufstehen an der Staffelei und mache meine Morgenroutinen, nachdem ich drei Stunden gearbeitet habe, oder wenigstens anderthalb. All das schaffe ich sehr selten, aber ich arbeite dran…

 


Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
3 Stunden
Ein vollendetes Gesicht, ein ordentlich sichtbarer Teil vom Gemälde

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
2-3 Stunden.
Die Balance dazwischen fällt mir tatsächlich schwer. Danach suche ich, solange ich hauptberuflich freischaffend arbeite. Ich habe schon vieles versucht: einen Akquisetag die Woche, einen Bürotag. Aber dann bin ich plötzlich im Arbeitsflow, es kommt ein wichtiger Auftrag, und dann hat das natürlich Vorrang. Phasenweise bin ich gut und regelmäßig in den sozialen Medien aktiv, aber das nimmt so viel Raum ein, dass für anderes wenig übrigbleibt und ich es wieder sein lasse. Ich habe schon Wochenrhythmen probiert, aber mir kommt immer das Leben dazwischen, das meine schönen Konzepte über den Haufen wirft. Ich wünsche mir einen ruhigen geordneten Flow, aber ich habe akzeptiert, mich dem unvorhersehbaren Aufkommen von Aufträgen, Inspiration und freien Arbeiten hinzugeben, und reihe die Pflichten darum herum. Vielleicht finde ich unter den Antworten der anderen Freien Antworten und Lösungen… 😉

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Ja, wenn ich keinen Kurs habe, oder Kunden, die von weiter her für ein Wochenende anreisen, nehme ich mir am Wochenende frei. Ich liebe einen ruhigen Sonntag, um mich treiben zu lassen und das Gefühl zu haben, nichts zu müssen.
Früher war das Malen und Zeichnen mein Sehnsuchtsort, ich hatte das Skizzenbuch immer dabei. Dann wurde es zum Beruf und die Aufteilung von „Arbeit“ und „Freizeit“ setzte sich bei mir durch. Die alte Vorstellung von „Feierabend“ ist tief in mir verankert. Erst jetzt löse ich mich wieder langsam davon. Nehme das Skizzenbuch auch nach Feierabend raus, wenn mich eine Person oder Situation inspiriert. Ich nehme das Skizzenbuch mit auf Reisen. Mir ist wieder bewusst geworden, dass mir diese Form des Ausdrucks, des Wahrnehmens meiner Umgebung ein tiefes inneres Bedürfnis ist und damit viel mehr als Arbeit. Jetzt nehme ich mir mehr Freiheiten in beide Richtungen.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Von allem Privaten. Wenn jemand mich braucht, bin ich da. Wenn jemand ins Atelier kommt und reden möchte, habe ich Zeit. Vom HANDY. Zeitung lesen, Chats checken und antworten. Durch Instagram scrollen (statt dort für mich Content zu produzieren). Von meinen eigenen Gedanken, Problemen, von Themen, die mich beschäftigen.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Ich habe mir schon mal den Wecker gestellt und mir eine Zeit verordnet, in der ich nicht von der Staffelei aufstehen darf, um schnell noch andere Dinge zu erledigen; das war hart, hat aber sehr geholfen. Das sollte ich öfter tun. Wenn ich „nur“ nach Foto arbeite, höre ich Hörbücher oder Podcasts, die ich nur bei der Arbeit hören darf; das hilft auch, dran zu bleiben. Wenn ich sie nur während der Arbeit höre, spornt es mich an, mich an die Staffelei zu setzen. Strenge und Disziplin.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich arbeite in meiner idealen Arbeitsumgebung. Ich habe ein kleines Ladenatelier, das drei große Fenster hat und lichtdurchflutet ist. Trotz der Offenheit nach außen ist es ein geschützter Raum, in dem ich sichtbar arbeiten kann oder nicht. Ich bin niemand, der vollkommene Zurückgezogenheit sucht. Mich belebt es, wenn ich zwischendurch jemandem zuwinke oder jemand mal kurz hereinkommt. Sei es für die Kunst oder für einen Schnack. Seit Kurzem habe ich Vorhänge und damit die Möglichkeit, auch mal ganz für mich zu sein. Dieses Bedürfnis regt sich nach bald 20 Jahren Arbeit „im Schaufenster“ erst langsam in mir. Der Ladencharakter meines Ateliers ist natürlich nicht nur für mein Arbeiten ideal, sondern auch für mein Geschäft, denn ich habe zugleich eine dauerhafte Ausstellungsfläche, werde gesehen und wiedergefunden und kann auf diese Weise auch von meiner Kunst leben.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Bei der Arbeit an der Staffelei, im Atelier.
Was neue kreative, künstlerische Ideen angeht: wenn ich in meinem Arbeitstagebuch schriftlich über eine Arbeit, ein Projekt nachdenke und Dinge visualisiere. Manchmal während guter Gespräche. Im Theater, Kino oder bei anderen kulturellen Veranstaltungen.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Schwer zu sagen. Dieser ganz starke, überwältigend inspirierende, glückselige Flow kommt unregelmäßig. In einem Jahr häufig, im nächsten gar nicht. Der sehr glücklich zufriedene Flow ist regelmäßiger da, je nach Disziplin und Arbeitsvolumen täglich bis wöchentlich, oder zumindest monatlich.
Was mir fast immer hilft: Disziplin. Mich zwingen, dranbleiben, weitermachen gegen alle Schweinehunde, Widerstände und Ablenkungen. Das wird meist belohnt in Form eines Arbeitsrauschs, der dann anhalten kann, bis das Bild vollendet ist. Es sei denn, ich mache zu lange Pausen… Andererseits führen bewusste Pausen, ein Spaziergang im Park, der Besuch eines Cafés oder Museums, ebenfalls zurück in den Fluss.
Es gibt natürlich Arbeiten, in denen so viel Herzblut steckt, dass ich leichter in den Flow komme. Aber auch dort besteht die Gefahr, durch Nachlässigkeit rauszurutschen.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
So lange weitermachen, bis es klappt. Es klappt immer!
Wenn ich einen Anfang oder Inspiration suche: mich konzentrieren und in guter Stimmung und Erwartung bleiben – ein bisschen wie die Katze vor dem Mauseloch. Dann kommt die Inspiration. Siehe auch Frage 6. Einfach vorsichtig anfangen, wachsam bleiben. Einen Schritt nach dem anderen machen. Und meine Gedanken zu Papier bringen, das bringt mich immer weiter.
Mein wichtigster Spruch für schwere Zeiten: „Wenn dir das Wasser bis zum Hals steht, darfst du den Kopf nicht hängen lassen!“

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Ich schreibe täglich meine „Morgenseiten“. Da bringe ich alles, was in meinem Kopf umherschwirrt, zu Papier. Und wenn es mir besonders schlecht geht, schreibe ich noch mehr. Wenn ich frustriert bin, lasse ich die Arbeit Arbeit sein und schreibe. Oft kommen mir dabei von allein Antworten oder Lösungen in den Sinn. Was mir auch hilft, ist, mit dem Stift schriftlich oder konzentriert tagträumerisch zu träumen. Wie soll mein Leben aussehen. Was wünsche ich mir für meine Kunst, was für meine KundInnen? Wie wäre mein ideales Leben, was ist mein Ziel? Gibt es neue Ziele? Wie sieht es konkret aus? Ich stelle mir alles bildlich vor und versuche auch, das Glück dabei zu spüren. Träumen ohne Verstandesbarrieren öffnet bei mir immer Türen. Und meistens kommt dann alles wieder in Schwung.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Viel zu selten!

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ja! Ein tolles Buch ist für mich „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Ich habe es Anfang der Zweitausender zwei Mal mit einer Gruppe durchgearbeitet, als ich – frisch getrennt und mit zwei kleinen Kindern – beschloss, dass die Kunst künftig mein Brotjob sein soll. Wahrscheinlich hat dieses Buch einen großen Anteil daran, dass ich vier Jahre später tatsächlich begann, davon leben zu können. Ich lese auch gern KünstlerInnen-Biografien, die inspirieren und bestärken mich jedes Mal. Ich habe diverse Ratgeber gelesen. In manchen gab es nur einen kleinen Impuls, der für mich bedeutsam war, dann aber eine große Wirkung hatte.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
In erster Linie bin ich ja Künstlerin, weil ich das liebe, was ich tue. Weil es mein Herz nährt. Aber natürlich ist auch die Anerkennung schön und wichtig geworden, besonders die notwendige finanzielle Anerkennung, wenn jemand meine Kunst kauft oder ein Porträt in Auftrag gibt.
Das Schönste ist, wenn die Menschen von den Bildern tief berührt sind, wenn meine Arbeit etwas auslöst. Immer wenn die Menschen die porträtierte Person nicht nur erkennen, sondern sagen: Das ist sie! Die beste Form Anerkennung ist, wenn ein gemaltes Erinnerungsporträt wirklich Trost gibt. Und wenn sich Menschen in meine Bilder verlieben, wenn sie glücklich machen und inspirieren.
Das ist das Wunderbare, ich mache etwas für mich und gebe zugleich anderen sehr viel dadurch. Besser geht’s für mich nicht.

 

Wovor hast du Angst?
Über die Jahre in der künstlerischen Selbstständigkeit habe ich erfahren, dass es immer einen Weg gibt. Deshalb habe ich in dieser Hinsicht keine Angst.

 

@atelierunterderlinde
www.atelier-unter-der-linde.de