„Freizeit ist das Aufatmen nach der Abgabe eines Textes.“
Sarah Lorenz, Autorin & Kolumnistin
Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Richtig unterschiedliche. Ich brauche zwar feste Rituale im Tagesablauf, sonst versacke ich, doch wann ich arbeite, ist sehr unterschiedlich.
Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Auch das ist sehr unterschiedlich. Und mit dieser Frage geht auch die altbekannte Frage einher, ab wann es Arbeit ist. Ich denke fast den ganzen Tag an Sätze, an Wörter, die ich auf jeden Fall in Texte einbauen will. Daran denke ich beim Einschlafen, beim Aufwachen, beim Spazierengehen, beim Duschen. Im besten Fall schreibe ich fünf Seiten am Tag. Das ist dann aber schon ein sehr guter Tag!
Für zwei Seiten brauche ich ein bis zwei Stunden. Zumindest, wenn ich das Gedachte nur noch verschriftlichen muss und nicht Gefahr laufe, beim Recherchieren zu versinken.
Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Ich bin erst seit einem Jahr als Freie tätig, daher ist mein Bürokram noch sehr übersichtlich. Momentan nehmen Gedankenarbeit und Fragen wie „Wo könnte ich welchen Text oder im Idealfall eine weitere Kolumne unterbringen, um den Geldfluss am Laufen zu halten“ viel Raum ein.
Pitches und Exposés zu schreiben, empfinde ich als derart unangenehm, dass ich es vor mir herschiebe und somit viel mehr Zeit damit verbringe, als nötig wäre.
Social Media ist fester Teil meines Lebens, ich teile dort meine Freuden, meine Sorgen und auch meine Texte. Social Media hat auch (mit) Einfluss darauf, wie sich mein Buch verkaufen wird und wer alles auf meine Texte klickt. Doch bisher empfinde ich Social Media nicht als Arbeit. Wobei: Texte zu teilen, Screenshots zu erstellen, den Link auf verschiedenen Plattformen einzustellen und dem noch ein, zwei, drei pfiffige Sätze voranzustellen, ist schon Arbeit.
Durchschnittlich (inklusive Gedankenarbeit) komme ich vielleicht auf drei, vier Stunden pro Woche.
Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Nein. Ich trenne das nicht. Ich habe keine Kinder und kann sehr frei über meine Zeit verfügen. Mein Wochenende kann ein Dienstag oder Mittwoch sein, ein Sonntag mein Arbeitstag (ist er sogar häufig). Freizeit ist das Aufatmen nach der Abgabe eines Textes.
Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Social Media. Ich kann allem irgendwie widerstehen, doch meinem Smartphone nicht.
Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Das Smartphone in einen anderen Raum legen. Mir ein Zeitfenster ohne Smartphone auferlegen.
Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich schreibe an vier verschiedenen Orten (aufgelistet nach Präferenz):
Alleine in meinem Bett mit geschlossenen Vorhängen.
An meinem Schreibtisch mit anderen Schreibenden via Face-Time.
Im Café (mit Kopfhörern).
Am Wohnzimmertisch mit meinem Mann neben mir, der ein Videospiel spielt oder eine Doku guckt.
Ruhe ist nicht zwingend, doch Gemütlichkeit ist es wohl. Ich brauche Kaffee, Mineralwasser, eine Wärmflasche auf dem Bauch, gemütliche Klamotten, manchmal noch eine Kerze, und ich muss satt sein.
Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Zufällig, während das Leben auf mich regnet (von Rahel Varnhagen, leider nicht von mir :)).
Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Ich habe ADHS und mein Kopf ist immer aktiv. Er sprudelt vor Ideen. Die Herausforderung ist, diese zu bändigen, auf ein umsetzbares Maß zu beschränken und sie im Idealfall zu monetarisieren.
Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Ich jammere meine Mitmenschen voll und versuche durch Bestätigung von außen wieder Motivation zu fassen, weiterzumachen.
Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Ich tausche mich mit anderen Schreibenden aus, die diese Erfahrung auch schon machen mussten.
Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Ja! Am liebsten mit Besuchen und Buchhandlungen in Cafés. Ich liebe, liebe, liebe es, frühstücken zu gehen.
Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Dem Rat meiner Freund*innen, die schon länger unter den professionell Schreibenden zu finden sind, vertraue ich immer, auch wenn ich mich nicht jedes Mal daran halte (Verzeiht mir!). Auch meine Agentin kann ich immer um Rat fragen, denn ich weiß sicher, sie will nur das Beste für mich und meine Sätze.
Ich liebe die Reihe „Musenküsse“ von Kein & Aber, in der die Alltagsrituale berühmter Künstler*innen verzeichnet sind. Glamouröser war deren Alltag auch nicht!
Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Die bedeutet mir ALLES. Die beste Form der Anerkennung sind Zitate. Einzelne Sätze aus meinen Texten herausgepickt und zitiert, da strahlt mein Herz.
Wovor hast du Angst?
Kein Imposter zu haben, sondern in Wirklichkeit ganz untalentiert zu sein.