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„Man hat in so einem Beruf kein Anrecht auf täglich garantierte gute Ergebnisse.“

Quint Buchholz, Maler, Illustrator & Buchautor

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du?
Unter der Woche bin ich meistens etwa von 9:30 Uhr bis 18:30 Uhr im Atelier. Früher habe ich früher angefangen, aber jetzt trödele ich gerne erst mal noch ein bisschen zu Hause rum.
Der ideale Arbeitstag sähe so aus, dass ich zuerst vier bis fünf Stunden konzentriert über Ideen nachdenke oder male und erst danach alles andere mache (Büro, Ausstellungsvorbereitungen, Mails beantworten…). Ab und zu ist auch eine Runde Malen am Abend noch ganz wunderbar.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Tatsächlich male ich oft weniger als eben beschrieben und mache dafür mehr Büro- und Organisationsarbeit. In meinen Anfängen war das Verhältnis viel besser zugunsten der Malerei.
Was dabei rauskommt, ist schwer zu sagen. Im Idealfall eine Idee, die mir tragfähig erscheint (oft nur bis zum nächsten Morgen) oder einige Veränderungen an dem Bild, das ich male. Ich brauche viel Zeit für meine Bilder, und außer in den ersten paar Tagen sieht man die Veränderungen eines Tages kaum.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Wenn ich ehrlich bin, versuche ich seit Jahrzehnten immer wieder aufs Neue, mich an einen festen Tagesplan zu halten. Es würde mich beruhigen, da bin ich ganz sicher, aber es gibt kaum einen Tag, an dem ich mich dann wirklich an meinen Plan halte oder an feste Rituale. (Auch die Beantwortung dieses Fragebogens stand nicht auf dem Plan für heute.)

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Ja, inzwischen halte ich mich fast immer daran, am Wochenende nicht ins Atelier zu gehen. Das war früher anders, aber jetzt versuche ich, ganz eilige Abgabetermine zu vermeiden, so gut es geht. Wir sind eine große Familie inzwischen, für die ich auch Zeit haben möchte. Und auch dafür, nur so dazusitzen.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Alles Geflimmere auf den Bildschirmen, wenn es mit den Ideen oder einem Bild gerade nicht so richtig gut läuft. Wenn ich einmal im Malen drin bin, ist die Gefahr eher, nicht aufhören zu können.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Wenn ich um den Beginn einer Arbeit herumschleiche und lieber erst mal noch alles mögliche andere glaube erledigen zu müssen, hilft tatsächlich die Disziplin, mich eine Stunde lang hinzusetzen an das Skizzenblatt oder das Bild und keinesfalls aufzustehen. Danach bin ich fast immer drin in der Arbeit, um die es geht, und möchte sowieso weitermachen. Gedanklich hilft auch immer wieder die Erinnerung daran, dass das meiste, was uns gerade in den Medien, im Internet vorgaukelt, interessant und wichtig zu sein, nicht zu unserem Wohl erfunden wurde, sondern um uns das Ausschalten schwer zu machen, uns etwas zu verkaufen oder unsere Daten auszuwerten. Und es hilft auch das Wissen, dass es auch von den wirklich interessanten Sachen auf dieser Welt viel zu viele gibt für einen Menschentag.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Gerne habe ich leeren Raum um mich, nicht zu viele Dinge, die rumstehen, und auch keine größere Unordnung. Das kreative Chaos ist nicht so meine Methode. Meine Gedanken brauchen Platz, da darf nicht überall etwas sein, woran sie sich stoßen könnten. Und Stille, ja, auf jeden Fall, aber die habe ich in meinem Atelier auch, das zwar mitten in der Stadt liegt, aber in einem ganz ruhigen Hinterhof.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Die Inspiration kommt, wenn sie will, überall. Beim gezielten Nachdenken und Spielen mit Möglichkeiten nicht unbedingt leichter als irgendwo unterwegs oder beim Zusammensein mit Menschen oder wenn ich Bücher lese, Musik höre, Musik mache, Tiere anschaue, am Meer sitze… Nur wenn ich sie gezielt erzwingen will, wird es oft schwierig. Das kennen wir glaube ich alle. Deshalb sammle ich viele Ideenfragmente, rasche Skizzen, fotografierte Situationen. Ich halte sie fest, wenn sie sich mir zeigen. Manchmal komme ich erst Jahre später wieder darauf zurück. Aber ich habe sie dann als Möglichkeiten vor Augen.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Wenn die Idee im Skizzenstadium ein Stadium erreicht hat, wo ich richtig Lust habe, sie umzusetzen, um sie dann irgendwann selber in fertigem Zustand anschauen zu können. Allerdings täusche ich mich nicht selten in der Tragfähigkeit einer Idee, wenn ich dann das fertige Bild sehe.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Weitermachen. Man kann ja nicht dauernd immer nur oben wandern. Auch durch die Täler muss man durch, damit man wieder einen neuen Berg erklimmen kann. Und manchmal sind es auch weite Täler…
Wenn gar nichts vorangeht, finde ich Ermutigung manchmal in einem guten Gedicht, das meine Gedanken weitet, oder in einer Musik, die mein Herz öffnet und mich versöhnt. Manchmal gehe ich auch nach draußen, halte mein Gesicht eine Weile in die Sonne und denke an Menschen, die ich liebe.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Auch hier: Weitermachen. Paul Auster hat in einem Interview mal davon gesprochen, dass es nicht das Wichtigste ist, etwas Tolles hinzubekommen oder Erfolg zu haben und Anerkennung zu bekommen, so schön beides ist, sondern sein Bestes zu geben. Und auch wenn am Ende des Tages das Tagwerk zusammengeknüllt im Papierkorb liegt oder das Ergebnis der Arbeit nicht so geworden ist oder wirkt, wie man sich das gewünscht hat, so weiß man doch, dass man sein Bestes gegeben hat. Und mehr geht nicht. Man hat ja in so einem Beruf auch kein Anrecht auf täglich garantierte gute Ergebnisse.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Nein. In so einer Situation bin ich dann ja sowieso eher guter Stimmung, das ist Belohnung genug.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ich höre Menschen gut zu, die etwas Besonderes, etwas Einzigartiges hinbekommen haben. Die etwas wissen, das nur sie wissen, wie Bob Dylan es einmal beschrieben hat. Auch stelle ich Kolleginnen und Kollegen gerne solche Fragen wie in diesem Fragebogen hier: Was machst du, wenn es nicht läuft? Welche Angewohnheiten, Rituale helfen dir, in die Arbeit zu finden?
Gerade lese ich immer mal wieder in dem Buch „Die Kunst zu sein“ von Rick Rubin, dem berühmten amerikanischen Musikproduzenten, der z.B. mit Johnny Cash dessen großartige letzte Aufnahmen, die „American Recordings“-Alben, gemacht hat. Kleine überschaubare Essays, zwei, drei Seiten lang zu vielen Themen und Fragen des schöpferischen Tuns, sehr einfach und lebensklug, auch geprägt von seinen spirituellen Erfahrungen, und immer ermutigend. Vieles weiß man ja eigentlich selber mit der Zeit, und doch hat man dieses Wissen nicht immer verfügbar. So ein Essay kann es dann wieder in einem wachrufen: eine Klarheit, eine Überzeugung, etwas, das einem Halt gibt.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Ich freue mich, wenn Bilder von mir so offen sind, dass andere Menschen Lust bekommen, in ihnen ihre eigenen Geschichten zu entdecken. Und vielleicht sogar Vertrauen bekommen, ihre eigenen verborgenen Geschichten zu erzählen.

 

Wovor hast du Angst? Was würdest du anders machen, wenn du am Anfang deiner Laufbahn stündest?
Angst habe ich oft vor Konflikten. Gerne hätte ich früher schon mehr Mut gehabt, an bestimmten Stellen auf dem zu beharren, was ich für meine Bilder für richtig hielt oder halte. Andererseits hatte ich als Illustrator tatsächlich schon bald auch große Freiräume bzw. habe immer versucht, mich auf diese zuzubewegen, wenn sie sich mir angeboten haben.

 

Hat sich die Selbständigkeit ergeben, war sie notwendig oder gewollt und angestrebt? Was ist das Schöne daran, was das Schwierige?
Als junger Mensch hätte ich das kaum so klar benennen können, aber mein Sehnen und mein Streben, auch nach viel Zeit an jedem Tag, den ich auf meine Weise gestalten kann, gingen, glaube ich, schon früh in Richtung Selbstständigkeit. Dass man für fast alles, alle Erfolge, aber auch alles Scheitern selbst zuständig ist, ist Segen und Fluch in einem. Für mich aber eindeutig viel mehr Segen.

 

Von wem würdest du gern die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?
Von Siri Hustvedt.

 

 

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@quintbuchholz