„Wochenende? Das heißt nur, dass ich keine Schallplatten kaufen kann.“
Papan, Cartoonist & Autor
Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest?
Meine Augen öffnen sich ohne mein bewusstes Zutun wie kleine Türen jeden Tag um 7 Uhr. Ich sehe mich gezwungen, sofort einen Liter Tee zu kochen, um mich dann an den Tisch zu setzen und das Ausgedachte aufs Papier zu bringen. Das ist mir lieber als an die weiße Wand zu starren und zu denken: MAN MÜSSTE MAL… Das nimmt ca. 4 Stunden in Anspruch. Dann frühstücke ich! Dabei fällt mir wieder (beim Zeitunglesen und Radiohören) etwas ein.
Da der Tisch nicht zu mir kommt, muss ich zu ihm und auf ihm Ideen notieren, die ich am Nachmittag realisiere. Bis ca. 18 Uhr. Dann überfällt mich ungeplante Müdigkeit… und ich koche mir etwas (begleitet von M. Davis, Prince oder Joe Henry), lege mich aufs Sofa und lese, bis mir die Augen geräuschlos zufallen.
Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)?
Manchmal muss ich meine Belege für den Steuermann… äh… Berater zusammensuchen. Einmal im Jahr vergeude ich damit 6 Stunden. Verloren für immer!
Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Freizeit? Ich habe Freizeit, die ich ausfülle mit Zeichnen, Malen und Holzobjekte-Herstellen!! Andere verreisen, umarmen Bäume (keine Kakteen!) oder gehen ins Fitness-Studio, gehen zum Ernährungsberater oder singen Wagner-Arien. Und Wochenende? Das heißt nur, dass ich keine Schallplatten kaufen kann…
Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Wenn ich auf meinen Kontoauszug sehe und feststelle, dass ich kaum über die Runden kommen werde.
Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Nein, keine Strategie, die mich vor Ablenkung schützt, im Gegenteil! Ich will mich gern mal ablenken (lassen) durch eine Vernissage, einen Museumsbesuch oder den Kauf antiquarischer Bücher. Wenn ich keine Lust zum Zeichnen habe, stelle ich mich an die Sägemaschine, um Holzobjekte herzustellen. (Danach hab ich immer noch alle 10 Finger, um wieder lustvoll zeichnen zu können…)
Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich muss es nur wollen, dann ist es still bzw. höre ich nichts. Höchstens mal ´ne Biene, die vom Balkon ins Zimmer fliegt, sich aber entschuldigt und wieder entfernt, um draußen flugs den Tod zu finden.
Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Immer!
Inspirationen sitzen, stehen, liegen überall wie Prostituierte im Bahnhofsviertel rum und rufen: „Nimm mich! Ich bin billig – du kannst mit mir machen, was du willst.“ Oft wird mir das Angebot zu viel und ich gehe in den Englischen Garten. Aber da gibt’s auch Inspirationen…
Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Flow? Gibt’s nicht von E.T.A. Hoffmann: Meister Floh? Flow ist schrecklich, da er einen daran hindert, etwas anderes zu tun. Beim Arbeiten entstehen doch immer neue Ideen, die man sofort noch vorm Lebensende verwirklichen will, und so wird’s eine ewige, fast manische Proze-Tour!!! Eins ergibt immer das Nächste – (so war Horst Janssen auch!!) – nonstop… bis ans Ende! Und weiter…
Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Dann räume ich zum 100. Mal meine 2000 Schallplatten von der einen Seite zur anderen um oder sortiere alle Bücher neu. Dabei fällt mir wieder etwas ein…
Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Was macht ein Segler bei Flaute? Er pustet oder rudert zurück! Ich hab das gewollte Glück, einen kleinen Laden zu haben und wenn ich den öffne, kommen Kunden, die zwar oft nix kaufen, aber mir (wie gestern) einen Korb mit mehlig schmeckenden Äpfeln schenken. Das hebt die Stimmung!!!
Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Oh ja!! Dann kratze ich ein wenig Geld zusammen und eile zu meinem 2.Hand-Plattenladen und belohne mich mit Musik…
Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ich vertraue nur mir! Schließlich lebe ich mit mir in einer zuverlässigen Zweierbeziehung seit 80 Jahren. Aus der Liebe ist eine vertraute Ehe geworden, auch wenn ich manchmal mit mir streite – aber einer gewinnt dann immer: ICH.
Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Vor Kurzem betrat ein älterer Herr meinen Laden und drückte mir 5.– Euro in die Hand: „Das ist für Sie, weil ich mich jede Woche so über Ihr Schaufenster freue!“ Das war die beste Anerkennung.
Wovor hast du Angst?
Vor Mücken im Schlafzimmer und vor zu viel Einfällen und vor einem weiteren Fahrradunfall. (Zwei Rippenbrüche!)
Klima, Krebs, AFD, Aiwanger*… ich geb’s zu, verdränge ich eher!
* Preissteigerungen, meine Nachbarin, Briefmarken-Porto-Erhöhung
Und Angst vor der Zukunft?
Nein, die hat eh noch ne Weile Angst vor mir!!
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