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 „Wenn die Seele nicht singt, kann ich nicht spielen.“

Olena Kushpler, Pianistin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du?
Ich habe sehr unterschiedliche Arbeitszeiten, es kommt immer darauf an, ob ich z.B. auf Konzertreise bin oder an dem Tag unterrichte etc. Ich spiele jeden Tag mehrere Stunden Klavier, meistens nachmittags, vormittags widme ich mich Recherchen, Kommunikation und administrativen Dingen.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)?
Ich würde auf 5-6 Stunden pro Tag künstlerischer Arbeit kommen, oft auch mehr, es ist ja nicht nur alleine das Üben, sondern ich schreibe auch oft musikalisch-literarische Programme selbst, für die ich viel recherchiere, setze mich mit der Arbeit anderer Künstler auseinander, unterrichte Studenten, probe mit anderen Künstlern etc. Und ich male auch und schreibe selbst Gedichte und Prosa.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als Freischaffende:r im Blick behalten musst?
Hinzu kommen 2-3 Stunden für Hintergrundarbeiten, die heutzutage leider eine zunehmend große Rolle spielen. Für mich ist es anfänglich sehr schwierig gewesen, mich mit Bürokram auseinanderzusetzen. Mittlerweile geht es besser, ich schreibe mir meistens die Aufgaben auf, und dann fange ich an, die Liste ,,abzuarbeiten“. Aber als Künstlerin ist es oft echt eine Herausforderung.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Wochenenden als solche nehme ich nicht so richtig wahr, da sie oft mit Konzerten und fast immer mit den Proben verbunden sind. Ich lege aber bewusst freie Tage ein, das bedeutet für mich, nicht am Klavier zu sitzen, und da lese ich viel, gehe spazieren mit meinem Hund oder schaue mir Filme an. Ich liebe Filme! Oder ich verreise, das ist für mich die schönste Entspannung.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Letztlich kann alles ablenken, was drum herum passiert. Internet ist so eine Sache. Aber auch die politische Situation in der Welt. Als Russland den Krieg in der Ukraine begann, konnte ich kaum spielen. Und tat es dann trotzdem, weil ich mich, genau wie mein Volk, nicht unterkriegen lassen wollte.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Bei mir ist es so – wenn die Seele nicht singt, kann ich nicht spielen. Aber dann versuche ich etwas Schönes im Leben zu finden, und sei es nur eine Kleinigkeit, Blumen oder ein gutes Buch. Ein Gespräch mit meinen Liebsten hilft. Oder ein Spaziergang mit meinem Hund in der Natur. Der Besuch eines Konzerts oder einer Oper. Und ich mache dann erst mal Pause, zwinge mich nicht zu spielen und halte inne. All das hilft mir oft, mich zu sammeln und wieder Inspiration zu finden. Und die Inspiration kommt dann auch wieder.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich brauche, wenn nicht absolute Stille, dann wenigstens eine ruhige Umgebung. In meinem Musik-Zimmer habe ich die auch meistens. Dann schalte ich auch mein Handy aus.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration?
Ich finde meine Inspiration in der Musik. Wenn ich anfange zu spielen, vergesse ich alles um mich herum und bin dann auch inspiriert. Aber auch beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen, beim Hören von Musik, bei dem Besuch von Konzerten, Opern, unbedingt auch von Museen und Galerien, beim Reisen und ganz besonders in der Natur.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Wenn ich musikalisch-literarische Programme schreibe, passiert es meistens spontan – ich entwickle eine Idee, und dann kommt schon der kreative Fluss. Wenn ich im Studio aufnehme oder Konzerte spiele, bin ich bereits kurz vorher in einem besonderen Zustand, in besonderer Stimmung, was ich dann auf die Bühne übertrage, es entsteht schon vorher so etwas wie ein ,,Flow“. Auch beim Malen ist es so.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Ich versuche zu ergründen, was ich eventuell noch verbessern kann. Manchmal akzeptiere ich einfach, dass es Pech war. Und manchmal denke ich nicht groß darüber nach und mache einfach weiter. Mittlerweile weiß ich, dass viel schiefgehen kann, aber nichts ist wirklich irreparabel, und vieles verliert langfristig an Bedeutung. Die Kunst aber bleibt.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Ich versuche, grundsätzlich positiv zu denken. Jeder geht seinen Weg. Es ist nie ohne Hürden. Keep going. Grübeln hilft nicht. Also nicht nachdenken, weitermachen.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Etwas zu erreichen fühlt sich für mich schon als Belohnung an. Ansonsten gönne ich mir Stück Kuchen. 🙂

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ich lese viel, auch Biografien, aber am meisten liebe ich es, Gedichte zu lesen, das inspiriert mich am stärksten. Ich habe mich auch sehr für Psychologie interessiert und mir da ein Wissen angeeignet, das hilft viel im alltäglichen Leben.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Wenn die Menschen meinem Spiel zuhören und ich merke, es entsteht ein Kontakt zwischen mir und dem Publikum, ich habe die Menschen erreicht und vielleicht sogar bewegt, dann ist das Magie, und mir bedeutet diese Form von Anerkennung am meisten.

 

Wovor hast du Angst?
Nicht genug Zeit auf dieser Erde zu haben, um alles zu spielen, zu lesen, zu sehen, zu malen und zu lernen. Und zu verstehen.

 

www.olenakushpler.de
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