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„Niemand von uns ist allein, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.“

Kristine Bilkau, Schriftstellerin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Meine Arbeitstage laufen meistens ähnlich ab. Ich setze ich mich an den Schreibtisch, sobald das Kind in der Schule ist. Das heißt nicht, dass ich dann sofort anfange zu schreiben. Ich lese Tagespresse, beantworte Mails, bestelle Bücher, verliere mich auf Recherchepfaden, lasse mich ablenken. Manchmal öffne ich meinen Text erst gegen Mittag oder Nachmittag. Wenn ich von da an mehrere Stunden konzentriert schreibe oder überarbeite, ist es ein guter Tag, und wenn ich gleich morgens angefangen habe zu schreiben, ein noch besserer.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)?
Nachdenken, Recherchieren, Schreiben und Überarbeiten fließen ineinander, und auch die Ablenkung und die Pausen gehören dazu. Ich denke, im Durchschnitt arbeite ich zwischen sechs und acht Stunden täglich. Kurz vor Romanabgabe können es auch mal zwölf bis vierzehn Stunden sein. Ein Abgabetermin setzt Energien frei, die mich immer wieder überraschen. Doch nach intensiven Tagen gibt es auch wieder unproduktive, es ist ein ständiges Auf und Ab. Die Anzahl der geschriebenen Seiten sagt wenig aus über die Qualität. Ich kann zehn Seiten in wenigen Stunden schreiben, und am nächsten Tag landen acht davon im Papierkorb oder brauchen tagelange Überarbeitung. Ich kann aber auch einen ganzen Tag oder länger an einem einzigen Absatz sitzen, der dann eine Schlüsselstelle im Roman sein wird.

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Das kann ich schwer sagen. Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich mich überfordert fühle, meine Buchhaltung, Mails, Social Media, Termine und Reisen im Griff zu haben und dabei den Raum für Kreativität nicht zu verlieren. Und dann kommen wieder Zeiten, in denen alles leichtfällt.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Es gibt Zeiten, in denen ich den Computer nicht anrühre. Das kann ein Wochenende sein, ein Urlaub oder auch ein Tag nach einer intensiven Arbeitsphase. Auf einer stillen, gedanklichen Ebene bleibe ich aber trotzdem bei meinen Figuren und ihrer Geschichte. Es ist, als würde ein Teil von mir aufpassen müssen, dass die Glut lebendig bleibt.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Wenn ich einen neuen Roman beginne, kann mich vieles ablenken. Das meiste davon kommt von mir selbst: Zweifel, Ansprüche, Erwartungen. Es dauert seine Zeit, bis ich mich davon freigemacht habe. Ich glaube, es gehört zum Prozess dazu. Aber auch von außen kann einiges kommen. Das Weltgeschehen kann mich so in Beschlag nehmen, dass ein Text erst einmal eine Weile ruhen muss. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass ich das nicht ändern kann, und lasse mich darauf ein.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Die einfachen Mittel, die aber nicht immer wirken: Telefon aus, das Mailprogramm und den Browser schließen, Ohrstöpsel.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich habe ein Arbeitszimmer, in dem ich die meiste Zeit sitze. Ob ich absolute Stille brauche, hängt von meiner Tagesform ab. Manchmal bin ich empfindlich und jede Kleinigkeit lenkt mich ab. Dann wieder bin ich so versunken, dass hinter meiner Tür laute Stimmen, Musik, Hundegebell, Geschirrgeklapper zu hören sein können, ohne dass es mich stören würde. Den Anspruch auf absolute Stille habe ich nicht, das möchte ich niemandem in meiner Familie zumuten, es ist nicht realistisch, hat mit meinem Leben nichts zu tun und würde mich auch nicht produktiver machen. Früher, als mein Kind wenige Monate alt war, habe ich im Kinderzimmer auf dem Sofa gesessen, den Laptop auf dem Schoß, und mit dem Fuß habe ich den Stubenwagen ein wenig geschaukelt, damit das Baby noch ein wenig länger schläft. Das Schreiben und der Alltag sind miteinander verwoben, ich bin keine Autorin einsam im Elfenbeinturm, sondern auch Mutter, Partnerin, Freundin, so vieles mehr.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Der größte Teil meiner Arbeit findet am Schreibtisch statt. Aber Ideen und Gedanken entstehen in den verschiedensten Momenten. Manchmal kurz vor dem Einschlafen, für den Fall habe ich einen Notizblock am Bett. Auch beim Lesen, Filmeschauen, Musikhören, in Gesprächen, auf Spaziergängen, beim Einkaufen oder beim Schwimmen.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Manchmal muss ich es erzwingen, das heißt, ich darf nicht lockerlassen, muss nachdenken, überarbeiten, herumprobieren. Wenn ich feststecke, hat das oft eine Ursache. Ein Problem am Text, das zu lösen ist. Hin und wieder stellt sich der Flow genau dann ein, wenn ich einen Termin habe und mir nur noch eine oder eine halbe Stunde zum Schreiben bleibt. Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass ich von dieser letzten Stunde nicht viel erwarte, und das hat dann etwas Befreiendes.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Ich musste lernen, auch unproduktive Momente hinzunehmen. Manchmal hilft nichts anderes, als sich vom Schreibtisch zu entfernen. Ich lege mich kurz hin, gehe spazieren oder schwimmen. Oft bewegt sich dann gedanklich etwas, und wenn ich Glück habe, möchte ich sofort zurück an den Schreibtisch, um weiterzuarbeiten.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Bestimmte Bücher zu lesen, die ich sehr liebe und die für mein eigenes Schreiben wie Resonanzräume sein können. Das führt mich zurück zu dem, was mir wichtig ist. Manchmal ist es gut, wenn ich mich mit vertrauten Kolleginnen austausche und wir feststellen, dass sich unsere Probleme, Unsicherheiten und Befürchtungen ähneln, niemand von uns ist allein, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Manchmal belohne ich mich gerade in Zeiten, in denen mir nicht viel gelingen will. Dann brauche ich es, glaube ich, noch nötiger.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Die Prosawerkstatt im LCB und die Romanwerkstatt im Literaturhaus München haben mir bei der Arbeit an den ersten Texten sehr geholfen. Mit anderen über das Schreiben zu reden, erfahrenen Autorinnen und Autoren zuzuhören, das hilft dabei, den eigenen Weg zu finden.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Gesehen, gehört, gelesen zu werden, das ist immens wichtig. Wer diesen langen, anstrengenden und prekären Weg des Schreibens geht, lebt davon, dass andere sich für das, was man macht, interessieren. Es ist wichtig, dass es diese Aufmerksamkeit und Anerkennung gibt – von unterschiedlichen Seiten, es ist ein dichtes Netz: der engagierte Buchhandel, Kulturförderung, Einladungen zu Lesungen, das Publikum, Rezensionen, die sich ernsthaft mit dem Text auseinandersetzen, die Möglichkeit für Interviews, Austausch auf Social Media. Alle diese Seiten tragen dazu bei, dass unsere Bücher sichtbar und lebendig werden.

 

Wovor hast du Angst?
Keine meiner Ängste hat mit meiner Arbeit zu tun, sondern mit Politik, Gesellschaft, Kriegen, Gesundheit der Lieben, allen diesen Fragen, die viele andere Menschen auch berühren.

 

@kristinebilkau