„Das Schöne: Ich bin mein eigener Chef. Das Schwierige: Ich bin mein eigener Chef.“
@kriegundfreitag, @kriegundfreitag Comiczeichner, Autor & Cartoonist
Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Leider bin ich nicht sonderlich gut darin, meine Tage strukturiert zu gestalten, auch wenn es mir sicherlich guttäte. Mein Ideal wäre es, spätestens um 11 Uhr im Atelier zu sein und dort bis mindestens 16 Uhr konzentriert durchzuarbeiten. In der Praxis gelingt mir das selten und mein „Alltag“ verdient diese Bezeichnung eigentlich nicht. Dass aus diesem Chaos trotzdem viel Schönes entstanden ist, wundert mich am meisten.
Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Gefühlt arbeite ich gleichzeitig nie und ständig. Es ist ein wirklich komischer Job. Früher habe ich oft wie im Rausch mehrere Cartoons pro Tag zu Papier gebracht; heute bin ich froh, wenn es drei pro Woche sind. Ich bilde mir aber ein, dass die Qualität über die Jahre besser geworden ist.
Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Ich sage nur so viel: Das Finanzamt und mein E-Mail-Postfach werden irgendwann mein Ende sein. Von Balance kann man da nicht sprechen. Hoffentlich lande ich irgendwann einen riesigen Buch-Hit, der mich befähigt, alles Unangenehme zu delegieren und nur noch über Pointen nachzugrübeln. Social Media ist noch mal ein eigenes Thema. Ohne diese Netzwerke würde ich immer noch bei der Versicherung arbeiten, daher bin ich sehr dankbar, aber ich habe die entsprechenden Apps trotzdem von meinem Handy gelöscht und nutze sie nur noch übers Tablet bzw. den Rechner. Acht Stunden Bildschirmzeit am Tag waren ein bisschen zu doll.
Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Wochenenden und Freizeit sind mir heilig. Ich bin passionierter Müßiggänger. Als Künstler ist es trotzdem nicht möglich, da eine klare Grenze zur Arbeit zu ziehen. Das Gehirn denkt einfach weiter und die E-Mail-App schickt weiter Push-Nachrichten.
Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Die größte Ablenkung ist TikTok. Ich darf nicht mal in die Nähe dieser App kommen. Das Internet insgesamt hat mein Schaffen erst möglich gemacht und ist gleichzeitig die größte Bedrohung. Denn während ich scrolle, kann ich nicht zeichnen.
Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Apps löschen. Manchmal, wenn die Sterne richtig stehen, helfen sogar To-Do-Listen.
Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Meine Arbeitsumgebung ist die Welt und essenziell ist ein Gehirn. Ruhe brauche ich vor allem für Bürokratie-Kram, da dieser mich heillos überfordert.
Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Meine größte Inspiration ist mein Sohn. Selten habe ich einen so originellen Menschen getroffen. Er müsste eigentlich einen großen Teil meiner Einkünfte kriegen. Moment… Den kriegt er ja schon!
Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Hilfreich ist es, wenn man dem Körper etwas zu tun gibt. Dann kommt auch das Gehirn in die Gänge. Früher habe ich beim Zeitungaustragen ganze Theaterstücke in meinem Kopf geschrieben. Heute sorgen Spaziergänge für diesen Effekt.
Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Als Social-Media-Mensch ist es ganz normal, dass Ideen sang- und klanglos untergehen. Daran gewöhnt man sich irgendwann und kriegt Hornhaut auf der Seele. Die nächste – hoffentlich erfolgreichere – Idee kommt bestimmt.
Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Regelmäßig Signierstunden halten mein Selbstvertrauen oben, denn dort kriege ich plastisch vor Augen geführt, wie vielen Menschen meine Arbeit richtig viel bedeutet. Richtig schlimme Rückschläge sind mir ohnehin bisher erspart geblieben und das, obwohl ich als notorischer Pessimist jeden Tag damit rechne.
Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Ich belohne mich gerne mit ungesundem Essen. Und bei Misserfolgen tröste ich mich mit ungesundem Essen.
Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
„Steal Like An Artist“ von Austin Kleon hat mir ganz gut gefallen. Ansonsten stehe ich dem Genre eher skeptisch gegenüber. Ich brauche keinen Mut; ich kann auch ohne Mut jeden Tag weitermachen.
Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Am tollsten ist es immer, Fans persönlich zu begegnen. Likes und Followerzahlen sind dagegen nur abstrakt. Und dass ich davon schon seit Jahren leben kann, empfinde ich auch als eine große Anerkennung. Mittlerweile weiß ich, dass das alles andere als selbstverständlich ist.
Wovor hast du Angst?
Dass die Welt noch zu meinen Lebzeiten komplett vor die Hunde geht.
Gibt es Dinge, die du bereust oder gern früher gewusst hättest? Was würdest du anders machen, wenn du am Anfang deiner Laufbahn stündest?
Ich hätte gerne von Anfang an besseres Papier, bessere Stifte und insgesamt besseres Equipment verwendet. Außerdem hätte ich meine Werke von Anfang an ordentlich archivieren sollen.
Hat sich die Selbständigkeit ergeben, war sie notwendig oder gewollt und angestrebt?
Aus irgendwelchen verrückten Gründen war der Künstler-Lifestyle für mich attraktiver als jeden Tag in einem grauen Versicherungsgebäude sitzen zu müssen. Keine Ahnung, was mich da geritten hat.
Was ist das Schöne daran, was das Schwierige?
Das Schöne: Ich bin mein eigener Chef.
Das Schwierige: Ich bin mein eigener Chef.
Von wem würdest du gern die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?
Max Goldt. Aber der ist bestimmt nicht einfach dafür zu gewinnen.