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„Um den gerne mal lärmenden Zweifel im Griff zu behalten, muss die Musik im Atelier manchmal laut sein.“

Heribert C. Ottersbach, Maler & Zeichner

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du?
Ein normaler Arbeitstag ist ein Lebenstag. Arbeit und Leben bedingen sich gegenseitig, sind für mich miteinander verbunden. Manchmal ist das ideal, manchmal eher weniger. Aber: Es gefällt mir eher, als dass es mir missfällt. Meine Interessen sind ziemlich ausufernd. Ich lese viel, höre viel Musik, schreibe manchmal und mache mir gerne Gedanken „ohne Geländer“. Dazu leisten regelmäßige Tätigkeiten und Übungen, die ich „persönliche Instandhaltungsmaßnahmen“ nenne, einen wichtigen Beitrag, meine mentale und körperliche Beweglichkeit zu gewährleisten.
Als Maler und Zeichner interessiere ich mich aber nun mal besonders für Bilder. Bilder sind Wege ins Gelände, oft durch mentale und psychische Wildnis. Gelände ist gern unwegsam, verschlungen und abgelegen.
Das Gezeigte, das Gemalte ist genau. Einerseits! Es ist ungefähr. Andererseits! Der Zwiespalt ist der Ort, an dem sich malerische Wahrheiten verbergen, die im Bild sichtbar werden können.
All dies erfordert vielleicht Disziplin, ist für mich aber nur bedingt an feste Arbeitszeiten, Rhythmus oder Regelmäßigkeit gebunden.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)?
Da meine Interessen vielfältig sind, ich mich gerne ablenken lasse, ich auch nicht jeden Tag male, zeichne, stattdessen manchmal schreibe, kann ich nur Folgendes sagen: Alles ist eher unregelmäßig. Sofern mich Notwendigkeiten antreiben zur Arbeit, kann (und will) ich mich ca. 6 Stunden gut konzentrieren.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als Freischaffende:r im Blick behalten musst?
Für oben genannte „Hintergrundarbeiten“ fehlt mir meist die Lust und vielleicht auch das Talent. Dankenswerterweise gibt es Menschen in meinem Umfeld, die das für mich regeln. Gerne, sehr gerne zahle ich hier auch Honorar für Arbeiten, die mir ohnehin nicht liegen. Zudem: Andere machen das zumeist sehr viel besser, als ich es machen könnte, so ich es denn wollte.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Da ich über meine Zeit in der Regel recht frei verfüge, stellt sich diese Frage so nicht. Wochenenden waren und sind oft durch soziale Verpflichtungen gekennzeichnet, worauf ich mich aber meist auch gern und freiwillig einlasse.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Die größte Gefahr für mein künstlerisches Tun ist sicherlich mein guter Freund Zweifel. Ein wenig ist er mein Alter Ego. Kaum bin ich morgens aufgewacht, macht er sich bemerkbar und manchmal auch ganz schön breit. Zuweilen lasse mich jedoch gerne von ihm ablenken. Es hat Vorteile. Es schützt mich (hoffentlich) vor unbedachtem und vor allem voreiligem Tun.
Ein wie auch immer geartetes „Etwas“, was ich denke, empfinde, stellt sich dann doch oft als ein „Nichts“ heraus, was der Form, sei es in Wort oder Bild, nicht bedarf.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich überhaupt schützen will. Ich lasse mich – im Gegenteil – eher ganz gerne vom oben erwähnten Freund irritieren und auch ablenken. Berufsbedingt beschäftige ich mich ohnehin schon sehr viel mit mir selbst und mit meinen Reflexionen. Ich bin viel und gerne allein. Um daraus resultierenden narzisstischen Tendenzen nicht allzu viel Raum zu geben, lasse ich mich gerne ablenken, besonders eben auch von Freund Zweifel.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Meinen guten, aber auch sehr unruhigen und gerne mal lärmenden Freund Zweifel im Griff zu behalten, ist sicherlich essenziell für mich. Dann muss die Musik im Atelier manchmal laut sein.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Da ich befürchte, dass die Inspiration oft nur eine Imagination ist, vertraue ich auf das oft unerwartete Zusammenfallen von „Lebenstag“ und „Arbeitstag“ in das, was man gemeinhin „Alltag“ nennt. Das bringt mich dann manchmal auf Ideen, die etwas auslösen können.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Eine sich dann doch immer wieder bemerkbar machende Notwendigkeit lässt mich in den „Flow“ kommen. Um diesen Zustand zu erreichen, tue ich eigentlich nichts. Ich lasse ihn zu. Um ihn zu halten, braucht es dann doch manchmal Disziplin.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Wenn mal etwas nicht klappt, gräme ich mich nicht. Ich kenne dankenswerterweise ein wenig den Geschmack von Ideen, Ratlosigkeit, Erfolg und Misserfolg. Geduld und Ratlosigkeit sind aber auch eine wunderbare, oft sehr kreative Mischung. Zudem gibt es so viele andere interessante, schöne und weniger schöne Dinge, die auch wichtig sind.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Wie ich schon schrieb: Ich lasse mich gerne ablenken.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Ich empfinde mein Leben als recht frei. Das ist Belohnung genug. An bestimmten Zielen war ich nie so interessiert. Freies, künstlerisches Arbeiten impliziert den permanenten Standortwechsel. Standorte werden eingenommen, erprobt, um sie wieder zu verlassen. Es geht nicht um Verklärung, auch nicht um Aufklärung. Es geht nur um vorläufige Klärung. Es ist der Weg, der mich interessiert.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Menschen, manchmal Freunde gaben, geben Rat und irritier(t)en mich. Zudem wurde die persönliche Erfahrung mit den Jahren natürlich auch wichtig.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Die größte Anerkennung bestand und besteht noch darin, dass ich dieses Leben führen konnte bzw. noch führen kann.

 

Wovor hast du Angst?
Vor dem Verlust körperlicher und geistiger Unabhängigkeit habe ich Angst.

 

 

www.wikipedia.org/Ottersbach
www.beck-eggeling.de/heribert_c_ottersbach