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„Die Selbstmotivation ist das Wichtigste. Wenn du allein am Schreibtisch sitzt, hast du keinen Trainer neben dir, der dich anfeuert und wieder auf Spur bringt.“

Heike Specht, Autorin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Es klingt total unglamourös und ist es im Grunde auch, aber ich mache einen ziemlichen Nine-to-five-Job, besser gesagt Eight-to-four. Sobald das Kind in der Schule ist, sitze ich am Schreibtisch. Ich war noch nie eine Nachtarbeiterin, ich brauche geregelte Zeiten. Mein Hirn rattert natürlich auch außerhalb der office hours und ich mache mir Notizen oder recherchiere mal was, aber das tatsächliche Schreiben findet brav tagsüber und wochentags statt, wenn Festangestellte auch im Büro sind.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)?
Wenn alles gut läuft und ich einen vollen Arbeitstag zur Verfügung habe, schreibe ich rund vier bis fünf Stunden.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als Freischaffende:r im Blick behalten musst?
Social Media, vor allem X, frisst schon viel Zeit. Ich würde sagen, eine Stunde am Tag für tägliche Posts zu „meinen“ historischen Themen, aber ich beteilige mich ja durchaus auch an aktuellen Diskussionen und muss ein bisschen schauen, was so links und rechts passiert. Es ist darüber hinaus immer ein Hin- und Hergerissensein zwischen der eigentlichen Schreibarbeit und dem energischen Dahinterklemmen in Sachen PR für das Buch. Du bist ja selbst die wichtigste Kämpferin für dein Buch – von der allerersten Idee bis zu dem Moment, in dem die Belegexemplare kommen, Pressearbeit zu machen ist, es zu Lesungen geht und so weiter.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Ja, ich brauche diese Zäsur. Das heißt nicht, dass ich nicht doch mal am Schreibtisch sitze am Wochenende. Aber normalerweise halte ich Samstag und Sonntag für die Familie frei, fürs Lesen aus Spaß, fürs auch mal einfach in die Gegend Schauen.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Ich habe normalerweise keine großen Probleme, mich hinzusetzen und anzufangen. Da bin ich ganz die Tochter meiner Mutter – diszipliniert und vernünftig. Aber wenn ich dann begonnen habe und schon ein bisschen was zu Papier gebracht habe, bin ich so froh, dass ich recht schnell das Gefühl habe, mich belohnen zu müssen. Dann checke ich mal rasch die News oder X. Und dann kann es durchaus sein, dass ich mich verzettele.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Na ja, meine Strategien gegen Ablenkung durch Nachrichten oder Social Media klappen leider nicht immer. Was ganz gut funktioniert, ist das Ausblenden meiner Umgebung. Ich arbeite meist zu Hause. Aber allfällige Hausarbeit kommt mir selten in die Quere. Meine Arbeitszeit definiere ich für mich als Zeit am Schreibtisch, da wird nicht schnell das Klo geputzt oder der Staubsauger geschwungen. Selbst wenn ich vielleicht manchmal ganz dankbar wäre für eine Unterbrechung.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich brauche keine Stille, schreiben kann ich auch ganz gut im Zug oder im Café. Aber ich brauche unbedingt die Gewissheit, dass ich eine gewisse Zeit Ruhe habe, dass ich mich in die Arbeit versenken kann. Wenn ich auf Abruf sitze, dauernd das Telefon klingelt oder die Familie etwas von mir will, finde ich es schwer abzutauchen.
Ich brauche ein paar Stunden, die vor mir liegen, die ich füllen kann. Und eine gewisse Routine gibt mir Sicherheit. Ich bin ein ziemliches Gewohnheitstier.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Ideen kommen mir überall, natürlich am ehesten, wenn der Kopf nicht schon übervoll ist mit allem möglichen Alltagskram. Aber ich bin immer wieder erstaunt, wie ich mir vorher alles Mögliche überlege und zurechtlege und wie das Ganze dann, wenn ich zu schreiben beginne, eine Art Eigenleben entwickelt. Viele Wendungen, Übergänge, aber auch Zuspitzungen, sogar Thesen entstehen erst im Schreiben. Das fasziniert mich immer wieder. Es ist wirklich ein Prozess, den man nicht theoretisch vorwegnehmen kann.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Ich versuche mir da, ehrlich gesagt, keinen großen Druck zu machen. Wenn ich eine Deadline habe, schreibe ich jeden Tag. Und ich weiß, dass es oft nicht perfekt ist, aber ich weiß auch, dass ich am nächsten Tag nochmal drüber gehe. Und lustigerweise ist es manchmal so, dass ich beim Schreiben das Gefühl hatte, das ist jetzt echt gut und ich war total im „Flow“, aber am nächsten Tag finde ich das Geschriebene gar nicht mehr so toll. Und andersherum quäle ich mich an manchen Tagen ziemlich und habe das Gefühl, das wird nie was. Und wenn ich die Passage am nächsten Morgen lese, ist sie gar nicht so schlecht.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Dann versuche ich, an einer anderen Schraube zu drehen. Oft hat man ja mehrere Projekte in der Mache. Aber wenn es an verschiedenen Baustellen schlechte Nachrichten gibt, ist das schon sehr deprimierend. Dann ist es schwer, sich selbst zu motivieren. Und die Selbstmotivation ist ja das Wichtigste. Wenn du allein am Schreibtisch sitzt, hast du keinen Trainer neben dir, der dich anfeuert und wieder auf Spur bringt. Selbstzweifel können dann ungehindert wüten.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Wie schon zu Studienzeiten, versuche ich mir dann bewusst zu machen, warum ich das, was ich mache, so liebe, was daran großartig ist. Das klappt aber leider nicht immer, muss ich zugeben. Dann: ablenken, Kopf lüften, Schokolade.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Ja, nach der bestandenen Zwischenprüfung über „Rom und Karthago“ sagte mir damals der wunderbare Althistoriker Peter Högemann: „Jetzt gehen Sie raus und genießen dieses Gefühl. Solche Tage gibt es nicht so viele im Leben.“ Und später, als ich im Verlag gearbeitet habe, gab mir eine recht erfolgreiche Bücherfrau den Rat, sich immer zu belohnen, wenn etwas gut gelaufen ist. Daran halte ich mich religiously.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ich komme aus der Buchbranche und schreibe jetzt selbst Bücher, aber Ratgebern gehe ich aus dem Weg. Wenn ich Zipperlein habe, aber auch während Schwangerschaft und Baby-Zeit habe ich Bücher zum Thema immer gemieden. Und so halte ich es auch mit Ratgebern zum Schreiben oder kreativen Arbeiten. Ich habe immer das Gefühl, das hängt die Sache für mich zu hoch und setzt mich zusätzlich unter Druck.
Den Rat anderer dagegen hole ich durchaus ein. Und ich bin auch neugierig, wie es anderen Schreibenden ergeht. Erst kürzlich habe ich einen faszinierenden Podcast mit Isabel Allende gehört.* Was sie übers Schreiben zu sagen hat, war wirklich inspirierend.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Natürlich sind positive Besprechungen ganz wunderbar, genauso wie Kolleg*innen, die man schätzt und die sich lobend äußern. Aber ich muss auch sagen, dass es mir viel bedeutet, wenn Leser*innen nach Veranstaltungen zu mir kommen und berichten, dass sie Freude hatten beim Lesen, dass sie etwas gelernt haben, dass sie mein Buch verschenken, mit ihren Töchtern und Söhnen darüber diskutieren, weil es ihnen wichtig ist. Das ist großartig.

 

Wovor hast du Angst?
Natürlich habe ich vor Misserfolg Angst, dass das, was mir wichtig ist, dass Themen, die ich für zentral halte, verhallen, untergehen. Aber ich habe auch Angst vor Langeweile. Und deswegen bin ich so dankbar für meine Arbeit, denn langweilig finde ich sie nie. Sie ist manchmal nervenzehrend, kann einen in brutale Selbstzweifel stürzen, aber sie ist immer selbstbestimmt und inhaltlich fordernd und interessant.

 

 

*„Wiser Than Me“ mit Julia Louise-Dreyfus

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