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„Ein Trick, wenn ich keine Lust habe, ist, mir zu sagen: O.k., heute schreibst du nur 30 Minuten.“

Franziska Gänsler, Schriftstellerin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du?
Ideal wäre folgendes: erst Sport machen, dann bis mittags schreiben, Mittagspause, danach noch mal zwei bis drei Stunden durchlesen / verändern / überarbeiten.
Normal ist: Ich wechsle zwischen vielen unterschiedlichen Aufgaben – E-Mails, Anrufen, Terminen, Rechnungen, Haushalt etc. – und habe dann Phasen, in denen ich richtig in einem Text drin bin und ihn kaum aus der Hand legen kann. Dann bleibt das meiste andere liegen.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Das variiert total, je nachdem, an welchem Punkt ich in einem Projekt bin. Es gibt eine Phase, in der ich noch kaum schreibe, aber ständig über einen Text nachdenke, und dann gibt es Zeiten, in denen ich stundenlang am Stück schreibe. Ich würde schätzen, wenn es richtig gut läuft, dann sind das pro Tag ca. 10 Normseiten. (Aber das sind kurze Phasen und nicht die Regel!)

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Ich versuche, das zu sammeln und dann einzelne Tage ganz dafür zu blocken (ca. einen bis zwei pro Woche) und andere ganz dem Schreiben zu widmen. Das klappt aber häufig nicht.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Wochenenden gibt es für mich, aber manchmal finde ich es eher schwer, genau dann eine Pause zu machen. Ich muss dann hoffen, dass meine Gedanken zum Text auf mich warten, dass eine Szene später noch genauso geschrieben werden kann, wie ich es in dem Moment könnte.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Geldsorgen. Wenn ich denke, ich muss anders schreiben, damit ich mit dem Schreiben genug verdiene.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Ganz unterschiedlich. Manchmal versuche ich, gezielt etwas zu schreiben, das mir viel Geld einbringen und damit mehr Ruhe / Freiheit verschaffen soll. Einen Thriller z.B. Aber wenn ich das anfange, gewinnt am Ende doch immer die Sprache und das, was ich eigentlich schreiben will.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich kann zum Glück fast überall arbeiten und oft auch in kleinen Zeitfenstern. Zu große Zeitfenster sind sogar eher schwierig für mich. Ein bis zwei Stunden in Cafés sind gut oder in Bibliotheken oder an meinem Küchentisch.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Wenn ich an einem Text oder Projekt richtig dran bin, dann ist das immer präsent, dann kann aus den zufälligsten Beobachtungen etwas einfließen. Ich hab aber zum Beispiel gelernt, dass mich Statisches weniger inspiriert als Bewegung. Ein Foto hat weniger Wirkung auf mich als ein Film.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Wann und wie ich in den Flow komme, ist ziemlich unberechenbar für mich. Manchmal läuft es einfach so, manchmal hilft Lesen, manchmal Musik. Es geht aber oft auch um Akzeptanz: Schreiben muss nicht Flow sein, sondern Schreiben heißt auch dann zu schreiben, wenn es nicht fließt. Das ist viel anstrengender und trotzdem oft der Moment, in dem ich etwas Wichtiges verstehe (z.B. warum der Text mich anödet).

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Ein Trick, wenn ich keine Lust habe, ist, mir zu sagen: O.k., heute schreibst du nur 30 Minuten. Meistens wird es dann doch länger, oder ich erlaube mir tatsächlich, dann aufzuhören. Wenn ich Angst kriege, dass Erfolg (Erfolg im Sinne von starken Verkaufszahlen) ausbleibt, dann hilft es mir, wenn ich mir sage, dass ich ja trotzdem immer schreiben kann, auch wenn ich damit kein Geld verdiene. Ich will natürlich, dass meine Sachen gern gelesen werden und sich verkaufen, aber vor allem will ich sie schreiben.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Tatsächlich einfach mal Pause machen. Klar drauf schauen, Alternativen finden. Ich hab schon sehr viele Jobs gemacht, ich weiß, dass es immer auch anders geht. Mir hilft auch das gute Verhältnis zu meiner Agentin und meinem Lektor (und zum Verlag). Das Wissen, dass ich da immer konstruktiv ins Gespräch gehen kann.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Ja. Ich kaufe mir ein Buch und Kuchen, wenn ich etwas zu feiern habe.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ich vertraue auf den Austausch mit den Menschen, mit denen ich arbeite, den Rat meiner Freund:innen und meiner Familie. Ratgeber-Literatur lese ich eigentlich nicht, aber Dokus oder Interviews (bzw. Fragebogen :)) mit bzw. von anderen Schreibenden oder Künstler:innen liebe ich.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Die Anerkennung von außen ist schon wichtig für mich. Weil es z.B. bedeuten kann, dass das, was ich machen wollte, auch rübergekommen ist. Und natürlich bedeutet Sichtbarkeit / Geld etc. auch mehr Möglichkeiten und Sicherheit, weniger Angst vor der Altersarmut.

 

Wovor hast du Angst?
Krankheit / Prekarität

 

 

@franziska.gaensler