„Ich hätte nicht gedacht, dass es beinahe noch mehr Arbeit ist, ein Buch zu vermarkten, als es zu schreiben.“
Claudia Schaumann, Autorin & Bloggerin
Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du?
Ich starte zwischen acht und neun, je nachdem, ob ich dran bin damit, die Kinder fertig zu machen, oder mein Mann. (Wenn ich nicht raus muss, gönne ich mir den Luxus, ein wenig später anzufangen. Meist habe ich vorher bis in die Nacht gelesen.) Ich versuche dann zwei bis drei Stunden konzentriert zu schreiben oder eine Geschichte zu planen oder umzuplanen. Zeit habe ich bis etwa 14 Uhr, dann kommen die Kinder zurück nach Hause. Wenn sie um mich herumwuseln, arbeite ich meist noch weiter, allerdings an Dingen, für die ich ein bisschen weniger Konzentration brauche. Mails zum Beispiel. Oder ich schreibe Artikel für den Blog oder mache Voiceover für Reels.
Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Vermutlich könnte ich eher die Stunden zählen, in denen ich nicht arbeite. Himmel, das klingt anstrengend, oder? Ist aber Fakt, weil ich bei dem, was ich tue, so schlecht zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden kann. Ich schneide zum Beispiel schnell mal zwischendurch ein Reel, wenn ich gerade eine Idee habe. Beantworte Mails, wenn ich vor der Schule auf meine Kinder warte. Notiere eine Buchidee, während ich an der Supermarktkasse stehe. Was dabei herauskommt, ist superunterschiedlich. Manchmal schaffe ich an einem Vormittag fünf Seiten, dann wieder an fünf Tagen keine, weil ich das, was ich geschrieben habe, direkt wieder lösche. Meine Kernarbeitszeit ist werktags von 8 bis 14 Uhr. Weil in der Woche aber oft so viel für Blog und Instagram anfällt, schreibe ich meist auch am Wochenende. Zum Ende des Jahres war mir allerdings alles zu viel, und ich versuche gerade, mich neu aufzustellen und nicht immer nebenbei zu arbeiten.
Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Ich suche diese Balance gerade noch. Blog, Shop und Instagram machen derzeit einfach noch meinen Hauptjob aus, das muss ich im Kopf haben. Auch wenn die Schreiberei schon seit einer Weile genauso viel Zeit in Anspruch nimmt. Das ist die größte Krux.
Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Ups, da habe ich vorgegriffen. Wochenende ist selten Wochenende. Meine besten Ideen habe ich, wenn ich nicht am Laptop sitze. Freizeit bedeutet für mich: Tage, an denen ich mir vornehme, bewusst nichts zu produzieren. Ausflugstage mit der Familie sind super dafür. Aber ich brauche auch dringend sogenannte Rumdödel-Tage. Also Tage zu Hause, an denen ich ganz viel Zeit für mich habe. Lese, ein bisschen rumkrame, laufen gehe. Meist habe ich an genau diesen Tagen allerdings die besten Ideen und schreibe schließlich doch. Dann fühlt es sich allerdings endlich mal wieder nach Genussschreiben an.
Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Definitiv Instagram. Sobald ich diese App einmal geöffnet habe, finde ich nicht mehr in meinen Romanplot. Was teuflisch ist, weil Instagram derzeit mehr oder weniger mein Hauptjob ist. Ich übe daher seit diesem Jahr, mich der App weniger hinzugeben, und sie stattdessen bewusst nur für eine bestimmte Weile zu nutzen. Löschen oder Handy weglegen funktioniert für mich nämlich in der Regel nicht.
Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Handy weg. Allerdings notiere ich darin auch oft spontane Ideen und Plots. Und ich recherchiere damit so gern und lasse Tabs offen. Von daher brauche ich es dann eben doch oft. Ich muss einfach lernen, mir nicht den Kopf davon wegballern zu lassen, sondern gezielt zu gucken und es dann wieder wegzulegen.
Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich schreibe zurzeit nicht am Schreibtisch, sondern entweder auf dem Sofa oder im Bett. Und ja, für meine Bücher brauche ich absolute Ruhe. Ich schreibe also vormittags, wenn die Kinder weg sind, oder ich mache Ohrstöpsel rein.
Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Immer unterwegs. Beim Laufen, im Urlaub, beim Lesen. Ich finde es auch superinspirierend, anderen Leuten beim Sprechen zuzuhören. Das ist die Grundlage meiner Dialoge. Tollerweise gibt es viele Podcasts, in denen Menschen miteinander diskutieren. Vor allem Gespräche mit Paaren finde ich total inspirierend.
Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Das passiert einfach und ich liebe es. Mal passiert es mehrmals in der Woche, mal ein paar Wochen nicht. Das weiß ich vorher nie.
Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Verzweifeln. Panik bekommen. Laufen gehen oder früh ins Bett. Weinen. Und manchmal leider schlechte Kritiken lesen. Ich weiß, dass es das Schlimmste ist, was man machen kann. Dennoch tue ich es manchmal.
Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Mich mit Freunden unterhalten, die überhaupt nichts mit der Buchbranche zu tun haben. Das erdet so schön. Oder Bücher anderer Autoren lesen. Wenn sie einfach nur gut sind, dann bauen sie mich auf. Nur die paar, die mich umhauen, die machen meine Sorgen noch größer.
Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft oder ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Leider viel zu selten. An Tagen, an denen ich ein fertiges Manuskript rausschicke, fühle ich mich herrlich leicht und frei. Allerdings drückt mich auch immer mein Gefühl, dass es so viel gibt, was ich vielleicht noch besser hätte machen können. Ganz seltsam finde ich Erscheinungstage. Weil man ewig drauf hin fiebert – und dann an dem Tag aber gar nicht wirklich was passiert. Meist steckt man ja schon mitten im nächsten Projekt. Und Rezensionen kommen auch nicht gleich an dem Tag. Hibbelig bin ich trotzdem und checke halbstündlich die Charts der großen Onlinebuchhandlungen.
Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Total. Ich habe einige Schreibseminare besucht, gucke Tutorials auf YouTube. Letztes Jahr habe ich online ein Schreibseminar von Jojo Moyes gemacht. Ich liebe die Zeitschrift „Federwelt“ und Sol Steins „Über das Schreiben”. Gerade lese ich „Geschichten vom Schreiben” von Benedikt Wells und habe schon viele Eselsohren reingemacht.
Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Leider viel. Das Schönste sind Leserinnen, die mit zurückmelden, dass mein Buch sie in eine gute Stimmung versetzt und etwas in ihnen Gang gebracht hat.
Wovor hast du Angst?
Vor der nächsten Schreibblockade, der nächsten schlechten Amazon-Bewertung und davor, für einen Satz, den ich mir im Kopf so schön vorstelle, doch nicht die richtigen Worte zu finden.
Gibt es Dinge, die du bereust oder gern früher gewusst hättest? Was würdest du anders machen, wenn du am Anfang deiner Laufbahn stündest?
Ich hätte nicht gedacht, dass es beinahe noch mehr Arbeit ist, ein Buch zu vermarkten, als es zu schreiben. Und dabei habe ich ja sogar schon eine Community. Und ich würde mich sofort mit meinem Manuskript bei einer Agentur bewerben. Ich habe eventuell viel Zeit dadurch verloren, dass ich Verlage immer direkt angeschrieben habe. Vielleicht aber habe ich die Jahre auch gebraucht, um besser zu werden.
Hat sich die Selbständigkeit ergeben, war sie notwendig oder gewollt und angestrebt? Was ist das Schöne daran, was das Schwierige?
Hat sich so ergeben. Das Schönste ist, dass man sich alles einteilen und so machen kann, wie man möchte. Das Schwierige, dass die Arbeit nie vorbei ist.