„Resonanz bedeutet viel! Vor allem, wenn man spürt, dass jemand wirklich berührt ist. Das fließt zurück und inspiriert weiter.“
CATT, Songwriterin, Musikerin & Musikproduzentin
Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Einen normalen Arbeitstag könnte ich in meinem Tun gar nicht definieren. Aufgaben wiederholen sich eher in größeren Zyklen. Zum Beispiel jährlich: Es gibt eine Zeit, in der ich eher auf Tour bin, dann eine Zeit, in der ich eher neue Musik schreibe, und eine Zeit, in der ich viel mit dem Organisieren zwischen den Dingen beschäftigt bin. Da ich mit dem Schreiben und Veröffentlichen meiner eigenen Musik aber erst während eines weltweiten Lockdowns angefangen habe, war ein Normalzustand wohl von Anfang an nicht vorgesehen. Flexibilität, um es positiv auszudrücken, war durchgehend Begleiter und wohl auch die beste Option. Ideal ist für mich, wenn ich mich viele Tage am Stück mit einer Sache beschäftigen kann: zum Beispiel drei Wochen lang auf Tour zu sein, ohne zu viele Mails zu beantworten. Oder sechs Wochen lang im Studio zu verbringen, ohne vereinzelt Konzerte zwischendurch zu haben.
Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)?
Womöglich durchschnittlich um die 8. Manchmal sind es 15, manchmal 0. Allerdings ist das, was man von außen als „Arbeitszeit“ oder „Freizeit“ bezeichnen würde, bei mir ziemlich fließend, sodass es schwer ist, es genau zu berechnen. Wozu zählt zum Beispiel das morgendliche Tagebuchschreiben, bei dem ich nicht selten Ideen für mein kreatives Tun habe und sortiere? Oder wozu zählen die vielen Stunden, die ich auf dem Weg zu meinen Arbeitsorten in Zügen und Autos verbringe?
Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Ich habe all das oben wohl schon einberechnet. Die meiste Zeit fließt im Moment auf jeden Fall in diese „Hintergrundarbeiten“. Mein musikalisches Tun macht zeitlich wahrscheinlich nur 10 bis 20 Prozent aus. Das möchte ich Stück für Stück ändern.
Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Ich denke nicht in Wochentagen und Wochenenden, weil ich an den Wochenenden oft Konzerte spiele. Das macht es schwerer, sich klar frei zu nehmen. Wenn ich erschöpft bin, nehme ich mir mal Tage in der Woche frei, das passiert allerdings noch nicht regelmäßig.
Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Sich verlieren in Social Media und die Schnelllebigkeit meiner Gedanken oder Ungeduld, länger an einer Sache zu bleiben (z.B. am Instrument), wenn ich es gerade nicht gewohnt bin bei dem vielen Hin und Her meiner Tage, Orte, Aufgabenbereiche. Das kann zu Zerstreuung und zu wenig Fokus führen.
Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Tägliches Zentrieren durch morgendliches Yoga, Schreiben und innerliches Ausrichten auf den Tag. Morgens die Energie des (meines) Tages zu verstehen hilft, den Tag einzuordnen und bewusst wahrzunehmen, was heut optimal dran wäre.
Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Wenn ich in einer Songwriting-Phase bin, dann geh ich gern für einen längeren zusammenhängenden Zeitraum aufs Land, weg von allem, mit meinen Instrumenten, Notizbüchern und meinem Aufnahmeequipment. Wenig Ablenkung, wenig Termine, viel offline sein.
Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Inspiration umgibt mich überall. Beim Leben, Wahrnehmen, Berührtwerden und Fragenstellen. Das tatsächliche Umsetzen passiert dann durch die klar dafür freigeschaufelten Zeiträume in Abgeschiedenheit für mich.
Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Sobald ich mich ans Instrument setze oder einen Stift in die Hand nehme, fließt immer was. Es geht bei mir also wirklich nur darum, den Raum dafür zu schaffen.
Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Mich einem anderen Tätigkeitsbereich zuwenden, erst mal etwas kochen, Freunde treffen, reisen, Bücher lesen. Ich habe gelernt, dass Druck auf eine Sache eng macht. Ich versuche, Prozesse, so gut es geht, im Fluss zu halten. Wenn es an einer kreativen Stelle nicht weitergeht, dann wende ich mich einer anderen zu. Und das kann alles sein, denn unser ganzes Leben ist ja – ohne pathetisch klingen zu wollen – ein kreativer Akt.
Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Mich innerlich wieder ausrichten und in die Beobachter-Rolle gehen: Diese Dinge betreffen wahrscheinlich mein Ego, nicht mein wirkliches Sein. Rauszoomen und sich möglichst nicht in Gedankenspiralen verlieren und wissen, dass diese Phasen immer wieder schnell vorbeigehen, wenn man sie durchlaufen lässt. Und auch: schauen, welche Wunde tiefer liegt und wo mir die Situation etwas zeigen will, zum Beispiel weil sie ein wiederkehrendes Muster betrifft. Kann ich irgendwo etwas ändern oder neu ausrichten? Und: Wo kann ich mich einfach kurz in den Arm nehmen (lassen)? Oder mit einer vertrauten Person darüber sprechen und die Dinge relativieren und einordnen?
Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Nicht bewusst, vielleicht fang ich mal damit an. Ich tendiere dazu, bei einer geschafften guten Sache schnell zum nächsten Projekt oder Ziel weiterzuziehen. Präsenz und Dankbarkeit versuche ich allerdings immer mehr in meinem Leben zu etablieren.
Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Der Austausch mit vertrauten, klugen Menschen tut immer gut. Freunde in meinem direkten Umfeld können helfen, Situationen einzuordnen. Ich habe gelernt, dass ich zwar am Ende mein Tun und Denken selbst verantworte, aber dass wir uns gegenseitig definitiv unterstützen können.
Mir fallen spontan als weitere unterstützende Elemente auf meinem Weg ein: kinesiologisches, osteopathisches und energetisches Arbeiten zur körperlichen und geistigen Gesundheit sowie Bewusstseinsentwicklung, Bücher wie „Eine neue Erde – Bewusstseinssprung anstelle von Selbstzerstörung“ von Eckhart Tolle (lernen, das Ego zu erkennen, um bewusster zu handeln und wahrzunehmen), Yoga-Routinen und Atmen zur Regulierung des Nervensystems und der Balance, Weiterbildung zu Finanzen und „Female Business“ und weltweites Verbinden mit Frauen, die die Dinge anders machen wollen in einem immer noch toxisch-maskulin-kapitalistisch geprägten System… Ich könnte ewig weitermachen. Interessiere mich sehr für ganzheitliche, größere Zusammenhänge, und diese größeren Einordnungen machen mir immer Mut und geben mir Sinn für den Teil, den ich beitragen kann. 2019 hat mir beim Schreiben und Aufnehmen meiner ersten EP „Moon“ geholfen, nebenbei das Buch „Der Weg des Künstlers“ zu lesen und zu bearbeiten.
Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Resonanz bedeutet viel! Vor allem, wenn man spürt, dass jemand wirklich berührt ist. Das fließt zurück und inspiriert weiter.
Wovor hast du Angst?
Wenn ich ganz bei mir bin, habe ich keine Angst. Wenn irgendwas in mir verschoben ist, kann alles mir Angst machen. Dann versuche ich, zurückzufinden.