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„Ich schöpfe aus meiner Sehnsucht.“

Anton Henning, Bildender Künstler

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Ich habe keine festen Arbeitszeiten im Atelier. Ich versuche dort so viel zu sein, wie es geht. Meistens beginne ich erst im Atelier, wenn alles drum herum ruhig wird und ich eigentlich schon einen Arbeitstag im Büro mit Korrespondenz, Organisation und so weiter hinter mir habe.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)?
Meine Tage bestehen komplett aus Arbeit, von morgens bis abends. Bei mir gehört alles dazu. Die Arbeit im Gemüsegarten, die Arbeit im Büro, die Arbeit im Atelier, die Arbeit im Kopf, das Entwickeln und Verwerfen.
Man muss das alles aber nicht unbedingt Arbeit nennen, weil ich all dies freiwillig und für mich tue und nicht ausschließlich zum Broterwerb. Ist ein Telefonat mit einem Künstlerkollegen nun Arbeit oder Freizeit? Sind das Blumenbeet oder ein Konzertbesuch, von dem ich mir Inspiration verspreche, nun Arbeit oder Freizeit?

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Oft verbringe ich die Wochenenden im Atelier, weil es dann um mich herum ruhig ist.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Von zeitfressenden sozialen Medien halte ich mich fern. Der Kommerz in der Kunst ist eine generelle Gefahr, weil er die Kunst flach werden lässt, Künstler sich kompromittieren lassen, und der hohe Anspruch an die Kunst nachlässt und so das ehrliche Publikum schrumpft, während diejenigen, die Kunst lediglich als Lifestyle und Investment begreifen, immer mehr werden. Das ist kein Plädoyer fürs Bildungsbürgertum, es ist vielmehr der Aufruf, Kunst als Geschenk zu begreifen.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Disziplin!

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich muss ganz bei mir sein können, was nicht bedeutet, dass ich beim Malen nicht Musik hören oder sogar telefonieren kann.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Ich schöpfe aus meiner Sehnsucht.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Siehe oben.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Das Ausbleiben von Ideen oder Erfolg sind zwei grundverschiedene Dinge. Erfolg ist eine Form der Bestätigung. Ideen hingegen schöpfe ich aus mir selbst.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Urvertrauen, Disziplin und romantischer Idealismus.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Jeden Abend! Mit gut gekochtem Essen und Wein.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Nein.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Mir bedeutet natürlich die Anerkennung von Fachleuten und Kollegen, die ich sehr schätze, viel. Sie kann mich sogar kurzfristig inspirieren. Man darf sich aber nicht abhängig davon machen. Die Menschen, die mir besonders nahestehen, verstehen nicht viel von dem, was ich auf die Leinwand bringe. Trotzdem freue ich mich, wenn sie, selbst wenn sie es vielleicht nicht in allen Facetten nachvollziehen können, doch die Qualität erspüren. Die beste Form der Anerkennung war, als Picasso, Matisse, Manet, Courbet und Goya Bilder von mir erworben haben.

 

Wovor hast du Angst?
Ich fürchte mich vor Einsamkeit und vor lähmender Gewalt. Als Künstler fürchte ich mich davor, dass mein Werk untergeht, dass es verschwinden könnte. Aber ich bin ja nicht Profikünstler und Privatmensch. Ich bin immer beides zur gleichen Zeit… Eigentlich empfinde ich mich auch gar nicht als Profi. Ich empfinde mich als Amateur. In dem Wort steckt Liebe. Deswegen bin ich auch so empfindlich.

 

 

www.antonhenning.net