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„Sorgen jeglicher Art sowie unbezahlte Rechnungen sind schlimme Konzentrationskiller.“

Anja Kriegel, Drehbuchautorin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Ich versuche, jeden Tag zu mehr oder weniger festen Zeiten zu arbeiten, um eine gewisse Alltagsroutine beizubehalten. „9 to 5“ ist ideal.
Für einen meiner typischen Aufträge habe ich in der Regel etwa eine Woche Zeit. In diesen Phasen ist es für mich von Vorteil, zu „normalen“ Bürozeiten zu arbeiten. Das liegt zum einen daran, dass ich tagsüber oft mit dem Team in der Redaktion/Produktion in enger Verbindung bleiben muss, aber umgekehrt auch erreichbar sein sollte. Wenn ich das aus irgendwelchen Gründen nicht schaffe und dadurch innerhalb der mir zur Verfügung stehenden Zeit einen halben oder ganzen Tag verliere, muss ich die verlorene Zeit am Wochenende oder an Feiertagen bzw. in meiner Freizeit wieder reinholen. Wichtig ist nur, dass ich nicht später als zu der von der Produktion gesetzten Deadline fertig werde und meine Abgabetermine nicht verpasse. Denn das kann im schlimmsten Fall zur Folge haben, dass ich von diesem Auftraggeber so schnell nicht wieder angerufen werde.
An meinem eigenen Romanprojekt kann ich in Drehbuch-Phasen daher leider nur in meiner Freizeit arbeiten, d.h. entweder sehr früh morgens oder abends – wenn ich dann noch Energie habe.
Im Sommer fange ich gerne zum Sonnenaufgang an. Ich mag es, wenn draußen der Tag gerade erst erwacht und der einzige akustische Begleiter Vogelgezwitscher ist. Wenn es hingegen am Morgen draußen noch dunkel ist, fällt mir das Schreiben schwerer.
Früher habe ich am liebsten nachts geschrieben, wenn alles schläft und ich sicher sein konnte, dass ich nichts mehr vom Tag verpasse. Heutzutage ist das nicht mehr so.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Zwischen fünf und acht Stunden. Im günstigsten Fall kommen dabei zwei bis vier Szenen im Drehbuch bzw. ein bis zwei Seiten im Roman heraus.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Wenn ich die Idee, d.h. den Pitch für ein Drehbuch selbst entwickeln muss, recherchiere ich durchschnittlich etwa ein bis zwei Arbeitstage, je nachdem wie viel ich vorher schon vom Thema weiß. Zum Beispiel muss für Krankenhausserien der medizinische Teil so „wasserdicht“ wie möglich sein, damit man sicher sein kann, dass die Grundidee funktioniert. Es wäre ärgerlich, wenn die ganze Geschichte einstürzt, nur weil man der Dramaturgie zuliebe eine Krankheit oder eine Behandlung frei erfunden hat. Oder wenn eine Serie im Gerichtssaal spielt, sollte aus denselben Gründen natürlich die juristische Basis stimmen. Außerdem haben die jeweiligen Expert:innen, die den Plot später prüfen, dadurch weniger Arbeit und es läuft für mich im Rückschluss auf weniger Korrekturschleifen hinaus.
Leider ist eine gut recherchierte Geschichte kein Garant, dass sich ein Pitch verkauft. Wenn es nicht dazu kommt, habe ich die darauf verwendete Zeit umsonst gearbeitet, muss die Idee sofort verwerfen und schnellstmöglich eine neue aus dem Ärmel zaubern. Das kann zuweilen etwas stressig werden. Insbesondere, wenn gleichzeitig noch andere Aufträge in der Pipeline sind.
Für Bürokram brauche ich in etwa ein bis zwei Tage pro Monat.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Freie Wochenenden sind bei mir selten, aber inzwischen versuche ich, mehr darauf zu achten, dass ich mindestens einen Tag pro Woche nicht arbeite, nicht an meinen Job denke und mich um andere Dinge kümmere. Den Stellenwert von Freizeit habe ich früher oft unterschätzt. Jetzt weiß ich, wie wichtig es ist, einen Ausgleich zur Arbeit zu schaffen, um wieder neue Energie zu tanken.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Sorgen jeglicher Art sowie unbezahlte Rechnungen sind schlimme Konzentrationskiller. Dicht gefolgt von Hungergefühl, Baulärm, unliebsamen, aber notwendigen Erledigungen und wenn man meiner Wohnung ansieht, dass ich tagelang nur gearbeitet habe.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Telefon aus und Türklingel ignorieren. Ein instrumentaler Klangteppich aus Klassik oder Jazz, wahlweise auch mal eine News-Dauerschleife, die leise im Hintergrund läuft.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Generell arbeite ich am liebsten zu Hause und ungestört an meinem Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer. Dort ist alles auf Arbeit ausgelegt und ich weiß, was ich zu tun habe, wenn ich in diesen Raum gehe. An meinem „Büro“ schätze ich übrigens auch sehr, dass ich es wieder verlassen und die Tür zumachen kann, wenn ich Feierabend habe. Früher hatte ich meinen Schreibtisch im Schlafzimmer stehen und wenn ich morgens aufgewacht bin, habe ich als erstes die am Vortag liegengebliebene Arbeit gesehen. Das war in meinem Fall kontraproduktiv und förderlich für jegliche Art von Prokrastination.
Aber auch Stille und die Einsamkeit des Arbeitszimmers kann in manchen Fällen kontraproduktiv sein. Wenn ich zum Beispiel eine Idee und die dazugehörigen Figuren entwickle, gibt es Situationen, in denen ich den Geräuschteppich in einem gut besetzten Café hilfreich finde, um mich in mich selbst zurückzuziehen und gleichzeitig andere Menschen zu beobachten, die mich im besten Fall für die Figuren inspirieren können.
Unabhängig von der Arbeitsstätte ist für mich ein schneller und gut funktionierender Rechner absolut essenziell.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Meistens am Schreibtisch vor meinem Rechner im Zuge meiner Recherchen. Oft aber auch bei Spaziergängen mit meinem Hund. Körperliche Bewegung, bei der ich meine Gedanken im wahrsten Sinne des Wortes wandern und kreisen lassen oder wieder wegwischen kann, hilft mir oft dabei, neue Blickwinkel auf eine Idee zu finden. Eine Autofahrt übers Land, eine Busfahrt oder ein Bummel in der Stadt können ebenfalls hilfereich sein.
Für meinen Roman spaziere ich gerne zu Fuß an bestimmte Orte in der Stadt, in der ich lebe und die in dem Plot bespielt werden. Manchmal muss ich in die Atmo der Altstadt oder des Hafens eintauchen, um meiner Geschichte das nötige Lokalkolorit zu geben, denn sie basiert sehr stark darauf, dass sie hier und nicht woanders spielt.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Klingt vielleicht langweilig, aber meistens hilft es schon sehr, sich irgendwie durch den Anfang zu quälen und so lange dran zu bleiben, bis sich der Flow irgendwann von selbst einstellt. Um diesen Zustand schneller zu erreichen, brauche ich Selbstdisziplin, maximale Konzentration und Ungestörtsein.
Jobbedingt muss ich leider oft „von jetzt auf gleich“ kreativ sein, das trainiert man sich im Laufe der Jahre an und idealerweise wird es irgendwann zu einer Frage der Routine. Aber natürlich gibt es auch Tage, an denen man das Gefühl hat, dass gar nichts geht. Wenn dieses Gefühl ganz schlimm ist und zu einer Blockade wird, muss ich das hinnehmen und darauf vertrauen, dass sich die Blockade am nächsten Tag wieder löst.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Mit meinem Hund lange durch den Wald oder am Strand entlanglaufen. Etwas besonders Gutes kochen. Ans Meer gehen, aufs Wasser schauen und mir ins Gedächtnis rufen, wie schön der Ort ist, an dem ich leben darf. Ein Buch lesen. Daran verzweifeln und bereuen, dass ich nichts „Anständiges“ gelernt und keinen Plan B habe. Versuchen, die Niederlagen zu vergessen, aus ihnen zu lernen, auf andere Gedanken zu kommen und neue Ideen zu finden.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Der Zuspruch guter Freund:innen und mein angeborener Zweckoptimismus. Aufgeben ist auch keine Lösung.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Selten. Wenn ich das angestrebte Ziel erreicht habe und mit meiner Arbeit zufrieden bin, ist letzteres oft schon Belohnung genug.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ja, wenn die Ratschläge von echten Profis kommen. In Sachen Drehbuch waren es anfangs Handbuch-Klassiker, die mir erfahrenere Kolleg:innen empfohlen haben.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Drehbuch: Eine gute Quote, Lob von Produzent:innen oder Headautor:innen sowie Folgeaufträge. Allerdings handelt es sich in meinem Fall nicht um Kunst im eigentlichen Sinne, sondern eher um eine Art Handwerk.
Roman: Wenn meine Testleser:innen sagen, dass meine Ideen funktionieren, sie meinen Schreibstil mögen und mehr von mir lesen wollen.
Wenn mir für mich wichtige Personen sagen, dass sie an mich glauben und stolz auf mich sind, bedeutet mir das sehr viel.

 

Wovor hast du Angst?
Plötzlich nicht mehr schreiben zu können und arbeitsunfähig zu werden.
Keine Aufträge mehr zu bekommen.
Meinen Roman niemals fertig zu kriegen.

 

 

@anja_kriegel