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„Zum Schreiben gehört immer auch sehr viel Nichtschreiben.“

Alena Schröder, Schriftstellerin & Journalistin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
Sobald meine Kinder morgens aus dem Haus sind und ich im Bett noch einen Kaffee getrunken habe, lege ich los. Ich habe ein kleines Büro, weil ich nicht gut zu Hause arbeiten kann, da lenkt mich zu viel ab. Mittags mache ich eine Pause und einen kleinen Spaziergang und meistens arbeite ich danach weiter bis 15 oder 16 Uhr. Zwei- bis dreimal im Jahr fahre ich mit zwei Kolleg*innen für eine Woche in Schreibklausur, das heißt: Wir mieten uns ein Ferienhaus und arbeiten da zusammen an unseren Texten, kochen reihum und leisten einander Gesellschaft. Das sind immer sehr intensive und produktive Tage, weil kein Alltag von der Arbeit ablenkt.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Das ist schwer zu sagen und sehr unterschiedlich. Wenn ich tatsächlich im Schreibprozess bin, bin ich mit mindestens 2 Seiten pro Tag zufrieden, wenn ich 5 schaffe, war es ein richtig guter Tag.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Ich versuche, alles, was Papierkram ist, also Rechnungen, Steuer usw. immer gleich wegzuarbeiten, weil ich sonst den Überblick verliere. Und ansonsten ist das immer schwer in Stunden zu bemessen. Manchmal sitze ich auch einfach einen halben Tag da, starre die Wand an und denke nach. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das für mich selbst auch als Teil des Arbeitsprozesses annehmen konnte – zum Schreiben gehört immer auch sehr viel Nichtschreiben. Social Media ist für mich vor allem Spaß und Ablenkung, nichts, was ich besonders professionell betreiben würde.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Ja, es gibt Wochenenden – nicht immer, aber doch sehr oft. Meine Kinder sind Teenager und ich versuche, am Wochenende für sie präsent zu sein, Zeit zu haben und gut zu kochen. Auch wenn sie nicht mehr so schrecklich viel mit mir unternehmen wollen, finde ich es wichtig, mit ihnen ab und zu einfach auf der Couch zu gammeln und nicht zu arbeiten. Die Frage nach Freizeit ist vielleicht die schwierigste, wenn man freiberuflich arbeitet, weil man sie sich sehr bewusst nehmen und eben auch zugestehen muss, ohne Schuldgefühle.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Von meinem Smartphone. Von Insta-Reels und Chatgruppen, von albernen Daddelspielen, von Podcasts. Ich bin leider sehr leicht ablenkbar.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Leider nicht so richtig. Am besten ist soziale Kontrolle. Sobald ich mit Kolleg*innen im selben Raum bin, will ich nicht, dass sie denken, dass ich die ganze Zeit nur Candy Crush spiele. Es wäre ihnen zwar vermutlich egal, aber es hilft mir trotzdem.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Nein, es darf nicht zu still sein, ich arbeite gern, wenn Leute und ganz normale Alltagsgeräusche um mich sind. Ich koche mir eine große Kanne Tee, außerdem stehen auf meinem Schreibtisch verschiedene Fummel-Spielsachen, also Fidgetspinner, verdrehbare Würfel und so weiter, weil ich beim Nachdenken was zu tun brauche für meine Hände – das ist auch ein Trick, um dem Smartphone-Impuls zu widerstehen.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Der wichtigste Teil findet am Schreibtisch statt, meistens mit ein bisschen Deadlinedruck im Nacken. Nämlich dann, wenn man sich nicht mehr mit anderen Aufgaben von einem Plotproblem oder einer schwierigen Textstelle ablenken kann, sondern sich durchbeißen muss. Recherche, nachdenken, Inspiration finden – alles schön und wichtig. Aber am Ende muss ich mich eben auf meinen Hintern setzen und das Ding schreiben. Wenn ich über irgendetwas konzentriert nachdenken muss, gelingt mir das am besten beim Autofahren. So eine richtig schöne, monotone Fahrt über eine leere Autobahn. Vermutlich, weil mich da auch mein Smartphone nicht ablenkt.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Deadlinedruck und gute Vorbereitung sind bei mir die besten Garanten für Flow. Wenn ich im Kopf schon genau weiß, was ich erzählen will und wo alles hinführt und keine Zeit mehr habe, zu viel zu hadern. Wenn ich dann merke, dass etwas gelingt, eine Szene gut aufgeht, sich ein Plotproblem löst – das ist das beste Gefühl überhaupt.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Sehr bewusst eine Pause. Nicht mehr (so wie früher) tagelang vor dem weißen Blatt sitzen, sondern Rechner zuklappen und ins Museum gehen, Filme schauen, den kreativen Output anderer konsumieren. Dann kommen Lust und Ideen wieder von ganz allein. Und für das Gefühl, trotzdem etwas geleistet zu haben, bleibt ja immer eine ganze Menge Bürokratie, die erledigt werden muss. Wenn mir nichts gelingt, dann habe ich wenigstens den Ablagestapel wegsortiert.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Mich daran erinnern, dass es bislang immer irgendwie weiterging und auch diesmal irgendwie weitergehen wird.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Ja, immer. Ich habe mir extra vor zwei Jahren zum ersten Mal Ohrlöcher stechen lassen, und jetzt gönne ich mir bei wichtigen Meilensteinen (die ersten 100 Seiten z.B.) ein richtig schönes Paar Ohrringe.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Mir hat „The Heroine’s Journey“ von Gail Carriger sehr geholfen. Ansonsten lese ich keine Ratgeber. Jeder Roman ist ja für sich ein Ratgeber. Und natürlich vertraue ich dem Rat aller Menschen, die professionell damit befasst sind, meine Bücher besser zu machen: meiner Agentin, meiner Lektorin, meiner Verlegerin. Ich habe noch nie bereut, auf ihre Ratschläge gehört zu haben.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Geld. Klingt bescheuert, aber für mich ist die Tatsache, dass ich von diesem Beruf leben und meine Kinder großziehen kann, die schönste Form der Anerkennung. Zu wissen, dass so viele Menschen dafür bezahlen, meine Texte zu lesen oder jemand anderem damit ein Geschenk zu machen, ist ein unglaubliches Glücksgefühl. Dann gibt es noch eine Handvoll Menschen, deren professionelle Meinung mir wichtig ist und die ich nicht enttäuschen will. Wenn denen gefällt, was ich mache, dann ist alles gut. Und ab und zu bekomme ich Post von Leser*innen, die sagen, meine Bücher hätten sie aus einer Lesekrise geholt. Sie hätten schon lange nicht mehr ein Buch einfach so am Stück gelesen. Das freut mich immer besonders, weil ich diese Leseflauten sehr gut kenne.

 

Wovor hast du Angst?
Immer, wenn ich einen neuen Text anfange, denke ich kurz, dass ich vielleicht gar nicht weiß, wie es geht. Wie man das macht: Bücher schreiben. Das Gefühl verschwindet dann auch wieder, aber manchmal habe ich Angst davor, dass es doch bleiben könnte. Dass mir vielleicht irgendwann nichts mehr einfällt oder niemand mehr Interesse an meiner Arbeit hat. Mir ist sehr bewusst, wie fragil das Geschäftsmodell „Schriftstellerin“ ist und dass Erfolg von vielen Faktoren abhängig ist, die ich nicht unter Kontrolle habe. Außerdem habe ich eine komplett irrationale Angst vor KI, die vermutlich unbegründet ist.

 

@schnalena