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Reisen mit Hund

Hopp, sage ich. Mit der Geschwindigkeit einer Rakete springt der Hund ins Auto, eher panisch als begeistert, denn seit wir Taschen hervorgeholt und zu packen begonnen haben, hängt sein Überleben davon ab, ob er es rechtzeitig in den Kofferraum schafft. Dass wir ihn niemals zurücklassen würden, dass wir, im Gegenteil, mit größter Sorgfalt vorausgeplant haben, weil gleich 1400 Kilometer und eine dreitägige Fahrt vor ihm liegen, das ahnt er alles nicht.

Mit einem Hund zu reisen, ähnelt dem Reisen mit Kind: Für beide muss man mitdenken und packen, man muss für ihre Versorgung sorgen, und vor allem kann man nicht spontan in achtzehn Stunden von Hamburg bis Rom durchfahren. (Was man natürlich sowieso nicht mehr schafft, aber die Illusion ist schön.) Bei der Suche nach Hotels und Restaurants gibt es allerdings einen erheblichen Unterschied, denn das Mitbringen von Kindern kann einem kaum jemand verwehren. Das von Hunden schon.

Bei Hotels gibt es folgende Abstufungen: Eins, Hunde sind nicht erlaubt. Zwei, Hunde bis 10 kg werden toleriert. Drei, auch große Hunde werden toleriert, kosten aber einen Aufschlag von etwa 25 Euro. Vier, Hunde sind willkommen, finden im Zimmer Napf und Decke vor und kosten einen Aufschlag von 50 Euro. Fünf! Der Hund (bzw. „Ihre geliebte Fellnase“) ist König. Für ihn gibt es nicht nur Näpfe und ein eigenes Bettchen, sondern daneben ein Willkommenspaket mit biologisch zertifizierten Leckerli, einem „take-home toy“ und hausgemachter Pfotenseife – oder gleich ein ganzes Menü- und Wellnessangebot inklusive speziellem Futter, Fell- und Ohrenpflege, medizinischen Massagen, Magnetfeldtherapie, Bachblütentherapie („für den ängstlichen Vierbeiner“), Lymphdrainage, Hundepools, Waschschleusen und „Erlebniswelten“ samt Agility Parcours.

Option 5 kenne ich nur aus dem Internet, unser Hund wird nie davon erfahren. Genauso wenig werden wir ihm erzählen, dass es mittlerweile Hunde-Eisdielen sowie -Bäckereien gibt oder ein Café namens Dogue (auszusprechen wie Vogue), in dem sich Geburtstagsfeiern ausrichten lassen und an Sonntagen ein Degustationsmenü für 75 Dollar offeriert wird – also jeweils für die Tiere. (Das Café befindet sich in San Francisco, aber ganz sicher ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Dogue-ähnliches Konzept in Europa realisiert wird.) Um in puncto Dekadenz nichts auszulassen: Selbstverständlich gibt es auch Luxus-Accessoires und entsprechendes Reisezubehör für unsere kleinen Freunde, tragbare Wende-Decken für unterwegs zum Beispiel, atmungsaktiv und mit einem abnehmbaren Gurt aus Zaum-Rindsleder, Kostenpunkt: knapp unter 1000 Euro.

Unser Hund jedoch ist ein bodenständiger Typ. Er fährt schön im Auto mit uns quer durch Europa, ohne strassbesetztes Gucci-Halsband und sonstiges Chichi. Er bekommt weder Wirbelmassagen noch vegane Kau-Sticks, aber immer ausreichend Futter, Wasser und Bewegung. Freundliche Zuwendung sowieso. Nicht auszuschließen, dass er offen wäre für ein bisschen Luxus – andererseits liebt er das Reisen ganz eindeutig auch so. Dabeisein ist für ihn alles. Immerhin konnte er sein Revier inzwischen auf Hunderte internationaler Ladestationen sowie zahlreiche Wälder, Seen, Häfen und Hotels ausdehnen. Auch die gesamte Île de Ré gehört neuerdings ihm! Er öffnet Türen und Herzen, zeigt uns verschlungene Pfade, Hintereingänge, Keller, Küchen und sehr gern auch die Zimmer anderer Hotelgäste; er ist, ähnlich wie der neurotische Foxterrier in Jerome K. Jeromes Klassiker „Drei Männer im Boot“, der geborene Entdecker. Und insofern nehmen wir die Einschränkungen, die das Reisen mit ihm mit sich bringt, erstaunlich gern auf uns. Gemeinsam mit dem E-Auto zwingt er uns zur Entschleunigung, zum Umwegemachen, zum Cool- und Aufgeschlossensein. Wobei auch wir gegen die ein oder andere Wellnessbehandlung durchaus nichts einzuwenden hätten.

> F.A.S., 22.08.2025