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„Kreative Arbeit hat immer mit MACHEN zu tun. Irgendwann passiert was. Wenn’s anfängt zu britzeln, wird es gut.“

Katrin Funcke, Illustratorin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du?
Der Arbeitstag beginnt mit einer Radfahrt zum Atelier quer durch Berlins Mitte. Nach Ankunft dort ein kleiner Schwatz mit meinen Kollegen. Bis hierher sind der normale und der ideale Arbeitstag identisch. Ideal ist, wenn ich mich an einem Tag nur einem einzelnen Job widmen muss, der am besten Teil eines größeren Projektes ist.
In der Realität ist meine Kernarbeitszeit zwischen 10 und 18 Uhr, aber meist länger, etwa bis 19:30 Uhr. Bei Deadlines wird es oft wesentlich später, dann genieße ich, wenn sich abends das Atelier leert und ich alleine bin.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Eine Illu pro Tag im Schnitt ist okay. Wenn ich so richtig auf Betriebstemperatur laufe, schaffe ich mehr.
Ebenso oft ist die Arbeit erstaunlich zäh und langsam. Dann müsste ich eigentlich pausieren.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Ich habe es nie gemessen. Ein Drittel vielleicht? Es kommt mir immer zu viel vor. Am liebsten hätte ich einen Assistenten, der mir das abnimmt. Ich bilde mir immer ein, dann wäre ich drei Mal so produktiv.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Ich bin nicht gut in Wochenenden. Aber ich werde besser in Urlaub.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
S.o.: Die Hintergrundarbeiten halten mich am meisten auf und lenken am meisten ab, auch wenn ich sie in den Hinterkopf schiebe. Ich versuche, Orga-Tage zu machen und mir Zeichentage freizuschaufeln. Bleibt aber schwierig. Wenn ich nicht aufpasse, zerstückele ich meinen Tag und mache die langen Arbeitsphasen kaputt, in denen ich wirklich konzentriert zeichnen und malen kann. Also: viele E-Mails – kein Flow. Mir gelingt das besser, wenn ich analog arbeite, als wenn ich digitale Arbeiten erledige. Ich habe einen Schreibtisch für den Rechner und einen zum Zeichnen und Malen. Wenn ich dort sitze, ist der Laptop auch gedanklich außer Reichweite. Das hilft.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Ich habe Noise-cancelling Kopfhörer für mehr Ruhe im Studio – wir sind viele Menschen und das ist oft zu unruhig. Ich bin gerne am Wochenende oder an Feiertagen im Atelier, da ist es so ruhig, das ist eine tolle Atmosphäre.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
Ich brauch Zeit und Raum. Klingt platt, aber wenn ich drüber nachdenke, ist es genau das.
Raum ist Platz, um ausholen zu können und um den Blick schweifen zu lassen. Zum Glück ist unser Studio so. Ich glaube, in einem kleinen Kämmerlein würde mir das Arbeiten sehr viel schwerer fallen. Einen großen Arbeitstisch habe ich schon immer gehabt. Unbedingt brauche ich eine Wand, um Zeichnungen aufzuhängen, sie anzusehen und zu beurteilen. An der Wand sehen Bilder anders aus als auf dem Tisch.
Ich liebe das Gefühl, nach hinten raus Zeit zu haben, deswegen sind meine Arbeitstage auch oft so lang, weil ich nicht aufhören kann. Andererseits mag ich Deadlines. Ich bin wirklich gut unter Druck. Dann gibt es kein Zaudern, nur Machen.
Stille ist toll (siehe Wochenend- oder Spätschicht), aber ich brauche Kollegen. Mehr Spaß, mehr Drive.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit? Wo findest die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Tatsächlich am Schreibtisch.

 

Wie oft kommst du in der kreativen Flow, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Ich muss es mir vornehmen, es passiert nicht von alleine. Die Vorbereitung ist ein wichtiger Teil, um in den Flow zu kommen: Arbeitsplatz aufräumen, Malteller saubermachen, neue Palette vorbereiten, alle Werkzeuge bereitstellen, das dauert schon ne halbe Stunde und der Kopf stellt sich auf das Machen ein.
Wenn ich ein herausforderndes Bild anfange, braucht es mehr. Ich renne dann mehrmals schwer seufzend um den Tisch. Oder ich stehe vorm leeren Papier und schaue es an – lange! Wenn ich dann drin bin im Zeichnen oder Malen, bin ich oft sehr konzentriert, sodass ich hinterher nicht mehr weiß, wie etwas entstanden ist. Ich kann mich an den Moment nicht unbedingt erinnern. Es ist also etwas Meditatives. Zeichnen ist mein Yoga.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Wenn Bildideen für Jobs ausbleiben, frage ich meine Freunde und Kollegen im Atelier oder auch meine Familie beim Abendessen. Entweder jemand anderes hat dann eine Idee und leiht sie mir gerne oder das Gespräch funktioniert wie ein Zündfunke für mich.
Bei meiner freien Arbeit fange ich einfach an, da habe ich oft keine konkrete Idee. Das entwickelt sich erst beim Machen.
Wenn nichts gelingt: Ruhe bewahren und weitermachen. Kreative Arbeit hat immer mit MACHEN zu tun. Irgendwann passiert was. Wenn’s anfängt zu britzeln, wird es gut.
Aber du fragst an dieser Stelle nicht nur nach der Tat, sondern auch nach der Haltung, oder? Ich zweifle mich nach so vielen Jahren zum Glück in Krisen nicht mehr in der Gänze an.  Etwas klappt eben nur IM MOMENT nicht. Das ist wichtig! Ich muss anerkennen, dass ich nicht unaufhörlich gute Arbeiten ausspucken kann. Jeder muss auch Schrott produzieren dürfen. Mein Papiermüll ist jedenfalls groß. Alles andere ist eine überzogene Erwartungshaltung. Wenn es gar nicht laufen will, schaue ich meine eigenen besten Bilder an. Ich sehe dann, dass es mir offenbar schon mal möglich war, etwas Gescheites aufs Papier zu bringen. Das hilft.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Ich guck ne Schmonzette.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Manchmal, aber nicht geplant. An sich ist das Erreichen die Belohnung.

 

Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Na ja, Bilderbücher halt. Bilder angucken in Büchern und später in Ausstellungen war toll, das wollte ich auch können. Mit Mut machen hatte das zwar nichts zu tun, aber geholfen hat es.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere?
Viel. Ich schweb ja sonst im luftleeren Raum.

 

Was ist die beste Form der Anerkennung?
Die beste Form der Anerkennung ist, wenn mir jemand sagt, dass er / sie sich immer freut, meine Arbeiten zu sehen.

 

Wovor hast du Angst?
Aliens und Altersarmut.

 

 

@katrin_funcke
www.katrinfuncke.de