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„Wenn nichts klappt, backe ich einen Kuchen.“

Arezu Weitholz, Schriftstellerin, Journalistin, Illustratorin

Wie sieht ein normaler oder idealer Arbeitstag für dich aus, was für einen Rhythmus hast du? Hast du feste Arbeitszeiten oder sehr unterschiedliche?
An Schreibtagen stehe ich zwischen 5 und 6 auf, schreibe bis 9, mache eine Pause, schreibe dann weiter, bis ich merke, es geht nicht mehr. Dann höre ich auf, koche mir etwas zu essen, lese, gehe spazieren. An Denktagen befasse ich mich mit allem außer Schreiben, also mit Büroarbeit, Lebensmanagement, Buchführung, Einkaufen, Gesundheit, Menschen, Lesen, Spaß. Aber das Schreiben läuft im Hintergrund als stilles Programm mit. Man könnte also sagen: Ich schreibe auch wenn ich nicht schreibe.

 

Kannst du sagen, wie viele Stunden pro Tag du im Durchschnitt netto arbeitest (schreibst, malst, übst)? Wie viel kommt im besten Fall dabei heraus (zwei Seiten, eine Skizze, zwanzig Takte)?
Es gibt Phasen, da gibt es keinen freien Tag, ich schreibe auch nachts, das ist nicht sehr gesund, aber das muss dann eben so sein. Gelegentlich schreibe ich auch eine Woche lang nur Notizen und führe ein normales Leben nebenher. Neues aufschreiben kann ich maximal vier Stunden am Tag. Ich fühle mich schlecht, wenn ich mich weniger als acht Stunden pro Tag mit Arbeit befasse.

 

Wie viele Stunden kommen durchschnittlich hinzu für „Hintergrundarbeiten“ und alles andere (Recherchen, Bürokram, Akquise, Website, Social Media)? Wie findest du die Balance zwischen all den Aufgaben, die du als freischaffende:r Künstler:in im Blick behalten musst?
Buchführung mache ich monatlich, spätestens alle drei Monate. In den Recherchephasen schreibe ich manchmal schon ins Reine; andersherum recherchiere ich weiter, während ich schreibe, es ist schlecht zu trennen. Die Balance zwischen Pflicht und Kür finde ich als ehemalige Bankkauffrau, weil ich unbegründete, aber stete Angst vor dem Finanzamt habe. Socials können nerven, denn das sind Blasen, die man in Wahrheit gar nicht kontrollieren kann.

 

Gibt es Wochenenden für dich? Was bedeutet Freizeit?
Die schönste Zeit ist die, in der ich auf Rückmeldungen warte oder gerade was abgegeben habe und mir einbilde, es ist großartig. Freizeit nehme ich mir zu selten. Ich denke dauernd, ich arbeite nicht genug. Möglicherweise eine Berufskrankheit.

 

Was ist die größte Gefahr für dein künstlerisches Schaffen, wovon lässt du dich ablenken?
Von der Angst nicht zu genügen, zu versagen, dem Drang, zu gefallen.

 

Hast du Strategien, um dich vor Ablenkungen zu schützen?
Ich lege mich zwischendrin 5 Minuten auf den Boden (nicht aufs Sofa!) und schließe die Augen. Ich pinne Zettel an die Wand, auf denen schlaue Sachen stehen wie etwa: „You can fix bad pages, you can‘t fix no pages.“ Das habe ich von einem amerikanischen Autor namens Harlan Coben. Was nicht funktioniert: essen, putzen, fernsehen.

 

Wie sieht deine Arbeitsumgebung aus, was ist essenziell für dich? Brauchst du zum Beispiel absolute Stille – und wenn ja, wo und wie findest du sie?
In Schreibphasen vermeide ich intensive soziale Kontakte, damit sie nicht in meine Arbeit wandern. Ich kann wunderbar arbeiten, wenn ich mich nicht verhalten muss. Ein Trick ist, frühmorgens – etwa um 5 – aufzustehen, weil dann die Welt noch schläft. Kindergeschrei oder Technomusik gehen mir auf den Keks. Auf meinem Schreibtisch liegen immer drei Bücher, die Titel wechseln ab, und ein Vogel. Momentan steht da ein Rotkehlchen aus Holz.

 

Wann und wo passiert der wichtigste Teil der Arbeit, wo findest du die größte Inspiration? Bei der Arbeit am Schreibtisch oder zufällig – unterwegs, in der Entspannung, auf Reisen, beim Lesen, im Austausch mit anderen Menschen?
Auf Reisen.

 

Wie oft oder leicht kommst du in einen kreativen „Flow“, und was hilft dir am meisten, um diesen Zustand zu erreichen?
Am meisten hilft mir die Tür, die ich hinter mir schließen kann. Wenn niemand da ist, der mit mir spricht. Wenn ich aufstehen und schlafen kann, wann ich will. Besonders schön ist es im Ausland, wenn dort niemand Deutsch spricht.

 

Was machst du, wenn nichts klappt – wenn Ideen oder Erfolg ausbleiben oder wenn dir nicht das gelingt, was du dir vorgenommen hast?
Dann mache ich was anderes. Ich backe einen Kuchen. Das macht mich glücklich.

 

Was hilft dir, wenn dein Selbstvertrauen angeschlagen ist (z.B. wegen schlechter Auftragslage, schlechter Kritiken, finanzieller Flaute, schlechter Stimmung)?
Ich bade in Selbstmitleid, bis ich wütend werde. Dann fällt mir meistens irgendwas ein, womit ich mich äußern kann, und das führe ich dann aus.

 

Belohnst du dich, wenn du etwas geschafft, ein bestimmtes Ziel erreicht hast?
Ich stelle mir während der Arbeit immer wieder vor, was ich mir alles an schönen Sachen gönnen könnte, aber es ist wie unvollendetes Online-Shoppen: Man legt es in den Warenkorb, aber checkt dann doch nicht aus.

 

Vertraust du auf den Rat anderer oder auf Ratgeber-Literatur? Gibt es Bücher, die dir geholfen haben, Mut zu finden auf deinem künstlerischen Weg?
Ich habe viele gekauft, aber geholfen haben sie nicht.

 

Wie viel bedeutet die Anerkennung deiner Kunst durch andere? Was ist die beste Form der Anerkennung?
Dummerweise bedeutet mir Anerkennung mehr als sie sollte. Die beste Form der Anerkennung wäre die meiner Eltern gewesen.

 

Wovor hast du Angst?
Versagen. Armut. Wahnsinn.

 

@arezu.weitholz
www.arezu.net